Mordlast
Heinzelmann.
»Was hat denn Bernd Propstmeyer beruflich gemacht?«
Engbers zuckte mit den Schultern.
»Wir haben keine Gehaltsabrechnungen oder Verträge in der Wohnung gefunden«, antwortete Rach nun.
»Das könnte aber wichtig sein«, sagte jetzt wieder Heinzelmann, obwohl er seinen Teil der Ermittlungsarbeiten abgeschlossen hatte. Davídsson hatte gesehen, dass Heinzelmann die Leiche von Bernd Propstmeyer zur Beerdigung freigegeben hatte.
»Vielleicht sagt uns seine Freundin etwas mehr darüber. Ich habe sie hierher bestellt. Die Vernehmung werde ich durchführen. Sie«, Engbers deutete mit dem Kinn auf Davídsson, ohne ihn dabei anzusehen, »werden mich als stiller Begleiter unterstützen.« Engbers warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr. »Wir haben noch zehn Minuten, dann ist sie hier. Gibt’s noch was?«
Keiner antwortete.
5
E velyn Schrauder wirkte verloren in Engbers Büro – so, als gehöre sie nicht hierher. Es war aber eher die Zeit als der Ort, in die sie nicht zu passen schien.
Davídsson dachte sofort an die alten Möbel und die Tapeten, die er in der Wohnung von Bernd Propstmeyer gesehen hatte.
Sie trug ein altrosa Kleid, das nur wenig figurbetont geschnitten war. Sie hatte einen kleinen runden Hut auf, wie man ihn früher einmal getragen haben musste. Bei jeder anderen Frau hätte das schrecklich altbacken oder kitschig gewirkt, aber ihr stand es auf eine merkwürdige Weise.
Sie hatte kein besonders hübsches Gesicht. Es war etwas zu flach und dadurch wirkte es einfacher als ein hübsches weibliches Gesicht. Dafür hatte sie eine sehr weich wirkende Haut mit einer gesunden Farbe, die sie nicht überschminkte. Die Augen waren das Einzige, das sie an ihre Mutter erinnern ließen. Sie wirkten schüchtern und abweisend und trotzdem auch kalt und emotionslos.
Engbers deutete auf einen freien Stuhl neben dem Holztisch, auf dem noch vor ein paar Tagen der Schlüsselbund gelegen hatte, der zu Propstmeyers Wohnung passte. Sie setzte sich stumm zwischen die beiden Männer.
»Ich möchte Ihnen zunächst mein Beileid aussprechen«, sagte Engbers, der offensichtlich auch so etwas wie Mitgefühl zeigen konnten.
Sie nickte stumm.
»Wir müssen Ihnen trotzdem einige Fragen zu Ihrem Freund stellen.«
Sie nickte wieder, ohne Engbers oder Davídsson dabei anzusehen. Ihr Blick ruhte auf einem Poster an Engbers Wand, das eine karibische Insel zeigte.
»Wie lange kannten Sie sich schon?«
»Seit sieben Jahren.« Sie sprach leise, aber ihre Stimme klang hell, ohne dabei jedoch schrill zu wirken.
»Sie waren seine Freundin?« Auch Engbers Stimme war Davídsson aufgefallen. Sie hatte sich verändert, war rauer geworden. Er hatte es schon während der Besprechung bemerkt, aber er konnte sich nicht erklären, warum.
»Ja.«
»Wie haben Sie sich kennengelernt?«
»Bitte. Müssen wir diese Fragen jetzt durchsprechen? Gibt es nichts Wichtigeres, als das zu klären?«
»Wir können diese Fragen auch ein anderes Mal stellen, wenn Ihnen das lieber ist.« Engbers sah kurz zu Ólafur Davídsson, der nicht recht wusste, was dieser kurze Blick bedeuten sollte.
»Wo hat Ihr Freund gearbeitet?«, fragte Engbers schließlich.
»Keine Ahnung.«
»Sie haben nach sieben Jahren keine Ahnung, was Ihr Freund gearbeitet hat?« Engbers fuhr sich ein paarmal durch seine kurzen lockigen Haare.
»Ja.«
»Das müssen Sie mir erklären.«
»Er hat es mir nie gesagt.«
»Warum nicht?«
»Weil ich ihn nie danach gefragt habe, nehme ich an.«
»Und warum haben Sie ihn nie gefragt? Normalerweise möchte man doch über seinen Partner so viel wie möglich erfahren, oder etwa nicht?«
»Es war mir egal.«
Engbers Geduld war am Ende. Er hatte schon einige Verhöre geführt, aber so etwas hatte er noch nicht erlebt: die erste und einfachste Frage bereits eine Sackgasse.
»Er hätte ein Verbrecher sein können.« Es war ein letzter, verzweifelter Versuch, eine Antwort zu bekommen.
Sie sah ihn plötzlich an, zuckte dann aber nur mit den Schultern.
Engbers wartete auf eine weitere Erklärung.
Vor den Fenstern wurde ein Presslufthammer angeworfen. Davídsson hatte das Gebäude über eine schmale Metallbrücke betreten müssen. Der gesamte Gehweg in der Keithstraße war bereits aufgebrochen worden und jetzt folgte offensichtlich ein Teil der Straße.
»Wir haben über so etwas nie gesprochen. Wir hatten andere Interessen.«
»Welche?«
»Theater, Oper, Bälle und Empfänge.«
»Sie waren eine Art Begleitdame
Weitere Kostenlose Bücher