Mordlicht
Vitroporzellan ausgestellt. Eine kleine
Anrichte, zwei Stühle und ein runder Tisch vervollständigten das Mobiliar des
Eingangbereichs. Rechts führte eine Treppe in die obere Etage. Von dort kam ein
älterer weißhaariger Mann herab und stutzte, als er die vier Männer mit ihren
gezückten Waffen in der Hand sah.
Christoph hielt einen Finger vor den Mund und
bedeutete dem Hotelgast, leise zu sein. Dann winkte er ihn zu sich heran.
»Verlassen Sie bitte das Gebäude und gehen Sie ins
Haupthaus«, bat er. Der Weißhaarige nickte und verschwand lautlos nach draußen.
Ein Blick zurück überzeugte Christoph, dass der Mann nicht zu den Neugierigen
gehörte, die vor dem Ort des Geschehens stehen bleiben und der Ereignisse
harren.
Von dem mit rotem Teppich ausgelegten Flur zweigten
die weiß lackierten Zimmertüren ab. Tüten-Wandlampen an der mit Blumenranken bedruckten
Tapete beleuchteten den Gang nur mäßig.
Die Zimmernummer war mit goldenen Lettern auf dem
Türblatt angebracht. Große Jäger und der Quickborner Stationsleiter Schröder
platzierten sich, die Waffe im Anschlag, links und rechts vom Eingang. Thiel stellte
sich seitlich von der Tür auf, Christoph daneben.
Der Oberkommissar klopfte energisch gegen das Holz.
Dann warteten sie ab.
Es dauerte eine Weile, bis sie hinter der Tür ein
Geräusch hörten. Dann fragte eine dunkle Männerstimme mit hartem osteuropäischen
Klang: »Ja? Wer ist da?«
»Würden Sie bitte öffnen«, sagte Christoph.
Einen Moment herrschte Stille. Dann fragte die Stimme
erneut: »Wer ist denn da?«
»Hier ist die Polizei. Öffnen Sie bitte die Tür,
strecken Sie Ihre Arme vor und kommen Sie heraus.«
Dann war Stille. Sie hörten im Zimmer ein Geräusch. Es
klang, als würde eine Tür geöffnet.
»Mensch, der haut über die Terrasse ab«, wisperte
Große Jäger.
»Da sind Mommsen und der Kollege«, flüsterte Christoph
zurück.
Das Geräusch wiederholte sich.
»Hört sich an, als hätte er die Tür wieder
geschlossen. Wahrscheinlich hat er die beiden im Garten entdeckt«, kommentierte
Uli Schröder.
Hinter der Tür war nichts zu vernehmen.
Große Jäger klopfte erneut gegen das Holz.
»Kommen Sie raus. Alles andere ist zwecklos. Das
Gebäude ist umstellt«, forderte Christoph den Unbekannten erneut auf.
Nach einer ganzen Weile meldete sich die tiefe
Bassstimme aus dem Inneren.
»Ist gut. Ich öffne jetzt die Tür.«
Sie hörten, wie der Schlüssel im Schloss gedreht
wurde.
Es dauerte viele Herzschläge, bis sich der Türgriff im
Zeitlupentempo abwärts bewegte. Dann öffnete sich die Tür zentimeterweise.
Die Anspannung war jetzt unermesslich. Christoph
spürte, wie das Adrenalin durch seinen Körper schoss. Er warf einen Blick auf
Große Jäger.
Der hatte die Augen zu einem Spalt zusammengekniffen
und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Dabei blickte er starr geradeaus
auf den sich verbreiternden Türspalt. Wenn der Oberkommissar nervös war, so war
ihm das nicht anzumerken.
Langsam tauchte eine Hand auf. Sie war kräftig, die
gepflegten, auf der Oberseite mit schwarzen Haaren bewachsenen Finger waren
nach vorn gestreckt. Es war die linke Hand.
Große Jäger sprang vor, sodass er dem Mann aus dem
Hotelzimmer gegenüberstand, die Waffe immer noch im Anschlag. Erst nachdem auch
Uli Schröder sich vor Gorbatschow aufgebaut hatte, griff der Oberkommissar zu
den Handschellen, die an seinem Gürtel baumelten, und ließ die Metallklammern
um die Handgelenke des Mannes klicken.
Es war, als atmeten alle gleichzeitig aus.
Gorbatschow wirkte keine Spur aufgeregt.
»Was soll das Ganze?«, fragte er in Christophs
Richtung.
»Eine reine Routinemaßnahme«, erwiderte Christoph. Sie
schoben den Mann ins Hotelzimmer und folgten ihm.
Thiel öffnete vorsichtig die Terrassentür und rief
leise in den Garten: »Alles erledigt. Ich komme jetzt hinaus.«
»Verstanden«, kam Mommsens Stimme aus dem Dunkel des
Gärtchens hinter dem Haus zurück. Wenig später drängten auch die beiden
Beamten, die die Rückfront abgesichert hatten, in das Hotelzimmer.
»Was wollen Sie von mir?«, fragte Gorbatschow erneut.
»Ich erwarte eine Erklärung.«
»Sie sind Herr Gorbatschow?«, antwortete Christoph mit
einer Gegenfrage.
Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein. So habe ich mich
nur an der Rezeption angemeldet. Ich habe nie verstanden, warum in einem Land,
das die Freiheit seiner Bürger propagiert, eine Anmeldung mit Namen
erforderlich ist.«
»Wie heißen Sie richtig?«
»Andrej
Weitere Kostenlose Bücher