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Mordloch

Mordloch

Titel: Mordloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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herausrückte, gehörte zu seinem Geschäft. Hätte er sich nämlich offiziell angemeldet, schriftlich und förmlich, wäre er erfahrungsgemäß einem ganzen Stab von nichts ahnenden Verwaltungsfachleuten gegenüber gesessen. Man hätte seine Ideen zerredet, weil Bürokraten nur ihre eigenen Zuständigkeiten sahen und nicht das große Ganze. Dieser Schönmann aber, das hatte man ihm berichtet, war keiner dieser Bürgermeister, die alle dieselbe Verwaltungslaufbahn absolviert haben, windschlüpfrig gemacht wurden, sich in Tonfall und Argumentation, ja sogar im Outfit, kaum voneinander unterschieden und nur ihren theoretischen Denkmustern nachhingen, bar jeglicher Ahnung von Praxis und Arbeitswelt. Schönmann war aus der Wirtschaft gekommen, kannte Zusammenhänge und versuchte, gegen den allgegenwärtigen Bürokratismus anzukämpfen. Wenngleich mit mäßigem Erfolg, wie er sich manchmal selbst eingestehen musste.
    »Tourismus«, fuhr Freudenthaler fort, »Tourismus darf man heutzutage nicht auf eine einzige Gemeinde beschränken. Der Tourist ist derart mobil, dass er ein vielfältiges Angebot präsentiert haben möchte, das bei Ihnen beispielsweise von Ulm mit dem höchsten Kirchturm der Welt bis Stuttgart mit seinem riesigen kulturellen und sportlichen Angebot reichen kann. Die Idee, die dahinter steckt, ist reizvoll: Urlauben auf der beschaulichen Alb – und Tagesausflüge zu den Attraktionen der näheren und weiteren Umgebung machen.« Freudenthaler hatte das Gefühl, dass Schönmann und Wühler von seinen Ausführungen angetan waren. »Unter uns gesagt, meine Herren, eine Kurzanalyse Ihrer Region hier hat erhebliche Defizite zu Tage gefördert.« Der Redner räusperte sich und senkte seine Stimme, als verrate er ein Geheimnis. »Sie haben drei Thermalbäder in der Gegend, in Bad Überkingen, Bad Ditzenbach und Bad Boll. Sie haben markante Aussichtspunkte am Albrand und Sie haben etwas, das Sie, mit Verlaub gesagt, bisher sträflich vernachlässigen: Ihre Eisenbahngeschichte.«
    Schönmann verzog das Gesicht, Wühler blickte jetzt nicht mehr so skeptisch drein.
    »Als Ihre Geislinger Steige gebaut wurde«, machte Freudenthaler weiter, »da war die Eisenbahn noch ganz jung. Und hier, ja hier bei Ihnen, wurde zum allerersten Mal weltweit ein Schienenstrang über ein Gebirge gebaut – okay, Gebirge klingt angesichts der Topografie der Schwäbischen Alb etwas großspurig, aber damals galt dies wirklich als Gebirge.«
    Schönmann nickte und lächelte wieder.
    »Und wie vermarkten Sie diesen Umstand?« Freudenthaler kam jetzt in Fahrt. »So gut wie gar nicht«, gab er sich selbst die Antwort. »Dabei ist es doch gerade die Eisenbahn, die Tausende locken kann. Nicht mal das schlechte Image und das miserable Management der heutigen Bahn AG hat daran etwas geändert. Schauen Sie sich doch allein an einem Tag wie heute mal um: Ein alter Dampfzug reißt Tausende vom Sitz.« Der Manager wischte sich mit einem Papiertaschentuch den Schweiß von der Stirn. Von draußen klang Blechmusik herein.
    »Machen Sie was draus!« forderte Freudenthaler seine beiden Zuhörer auf.
    Schönmann sah den Augenblick einer Nachfrage für gekommen: »Und was könnten wir Ihrer Ansicht nach dazu beitragen?«
    »Beziehen Sie alle mit ein, die in irgendeiner Weise vom Tourismus profitieren können – und sorgen Sie für ein plausibles und schlüssiges Konzept, in das alle gemeinsam im eigenen Interesse investieren.« Die Stimme des Managers klang fest und überzeugend. »Dann ...«, so fuhr er zögernd fort, »dann wird Sie auch ein großes Schweinestallprojekt nicht aus der Fassung bringen.«
    In Wühlers Gesicht zuckte etwas. Er schluckte und spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Freudenthaler schien dies bemerkt zu haben und wandte sich nun direkt an ihn: »Ihnen Herr Wühler geb’ ich den Rat, den guten Rat: Lassen Sie sich von Ihren Gegnern nicht zu unüberlegten Handlungen hinreißen.«
    Der Ortsvorsteher wurde bleich. Und Schönmann wunderte sich plötzlich, wieso der Fremde so gut informiert war, wo er doch nach eigener Aussage erst gestern im Allgäu auf die Dampfzugfahrten aufmerksam gemacht worden war.
     

7
    Links war eine Vielzahl von Windkrafträdern vorbeigezogen. Wie überdimensionale Spargel ragten sie in die Höhe. Mit lautem Getöse und mehrmaligen Pfeifen hatte der Dampfzug Gussenstadt erreicht. Das schwarze Ungetüm zischte und schnaubte. An den Waggons waren die meisten Fenster geöffnet, strahlende Gesichter

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