Mordloch
gespielt hat.«
»Mit dem ›Kaos-Duo‹?« vermutete der Wirt, während starkes Gelächter den Raum erfüllte. »Ja, hab’ davon gehört, dass er diese beiden Musiker irgendwie managen oder vermitteln wollte.« Er schaute dem Kommissar tief in die Augen. »Die beiden spielen übrigens heut’ Abend drüben in Ger-stetten im Bierzelt.«
»Nur noch eine abschließende Frage«, fuhr der Kommissar fort und trank sein Glas leer, »dies soll nicht als Misstrauen gewertet werden – aber wo waren Sie heute Nacht?«
Wühler lehnte sich zurück und schaute irritiert zu der Fensterfront hinüber. Draußen peitschte aufkommender Sturm den Regen gegen die Scheiben.
»Ich?« antwortete er langsam, »ich war hier.«
»Wie lange?«
»Bis zwei oder halb drei. Soll das jetzt ein Verhör sein?«
Der Kommissar hob beschwichtigend die Hände. »Das fragen wir jetzt alle – hat gar nichts zu bedeuten. Sie waren also bis halb drei hier und sind dann zu Bett gegangen?«
»Nein«, entgegnete Wühler. »Ich hab’ derart Kopfweh gehabt, dass ich noch an die frische Luft bin.«
»Im Hof – oder wo?«
»Auch, ja, aber ich bin noch durch den Ort gegangen – die Hauptstraße rauf bis zur ›Roßhülbe‹ und wieder zurück.«
»Gesehen hat Sie aber keiner?«
»Um diese Zeit?« Wühler hielt die Frage für einen schlechten Witz. »Wer soll da schon rumlaufen?« Die drei Männer schwiegen sich an und bemerkten erst jetzt wieder den Geräuschpegel um sie herum. Wühler erkannte plötzlich, was seine Feststellung bedeutete: »Sie wollen jetzt sagen, ich hätte kein Alibi ...?«
Häberle lächelte beruhigend: »Nicht jeder, der kein Alibi hat, ist ein Täter.«
11
Sie hatten’s wieder mal geschafft. Ihr Museumszug stand auf dem äußersten Abstellgleis, die Passagiere waren schnell ihren Autos zugestrebt. Noch dampfte die Lok. Es würde Stunden dauern, bis das Höllenfeuer vollends erloschen sein würde.
Die Hobbyeisenbahner hatten sich in einem ihrer Schuppen eine gemütliche Ecke eingerichtet, umgeben von historischen Utensilien, die allesamt an Dampfzug-Romantik erinnerten. Von der Decke hing eine Leuchtstoffröhre, die den Raum in ein viel zu grelles Licht hüllte.
Die neun Männer freuten sich über die Einnahmen. Ein Glück, dass es erst am Spätnachmittag zu regnen begonnen hatte. Jetzt kübelte es, als ginge die Welt unter. Auf dem Dach trommelten die Regentropfen, eine Dachrinne rauschte.
Kruschke, der als Verantwortlicher die E 75 11 18 gefahren hatte, wusch sich am Waschbecken den Ruß aus dem Gesicht. Er und sein Kollege trugen noch immer ihre schwarze Kleidung. »Sag’ mal, Florian«, drehte er sich beim Abtrocknen des Gesichts um, »hat man was Neues von dieser Leiche gehört?«
Augenblicklich verstummten die Gespräche der anderen, die um einen alten Tisch saßen, den die Vereinsmitglieder einmal aus dem Sperrmüll gerettet hatten. Florian war an einem ebenso maroden Schreibtisch mit der Abrechnung eines ganzen Stapels Fahrscheine beschäftigt und hielt inne. »Am Bahnhof hat vorhin einer gesagt, es handle sich wohl um eine bekannte Persönlichkeit aus Waldhausen.«
Kruschke rubbelte sein Gesicht trocken. »Weiß man den Namen?«
Florian zuckte mit den Schultern. »Er hat einen genannt, aber ich kenn’ ihn nicht.«
Kruschke setzte sich nun auch an den Tisch, auf dem gefüllte Weizenbiergläser standen. Er hob eines der Gläser. »Freunde, wir haben’s uns verdient. Zum Wohl.« Das schäumende Getränk floss in die durstigen Kehlen. Der Lokführer wischte sich mit dem Handrücken den Schaum vom Mund. »Wir sollten aber auch nach vorne blicken«, erklärte er, »die Zeit ist reif für neue Taten.«
Seine Zuhörer lehnten sich zurück und Florian legte seine Akten beiseite.
»Florian und ich«, sprach er weiter, »werden uns mit den Geislinger Freunden um die neue Strecke kümmern.« Jetzt war es raus. Sie alle hatten es seit langem gewusst, doch nun nahm das Projekt Gestalt an. In Geislingen, der historischen Eisenbahnerstadt, gab es noch ein knapp vier Kilometer langes Gleis einer stillgelegten Nebenstrecke. Es führte quer durch die Stadt und endete in einem Industriegebiet. Seit Jahren war dort kein Zug mehr gefahren – doch hatten Gleis und Bahnübergänge die Zeiten überdauert. Längst gab es eine Initiativgruppe, die diesen Abschnitt wieder zum Leben erwecken und mit Dampfzügen eine Touristenattraktion auf die Beine stellen wollte. Beispiele dafür, wie so etwas die Massen in eine
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