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Mordloch

Mordloch

Titel: Mordloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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in die Ukraine. Ein Knochenjob. Nichts für Weicheier, sondern etwas für entschlossene Typen, die noch immer dem Traum nach hingen, Fernfahrer zu sein, habe etwas mit Abenteuerlust zu tun. Dabei hatte sie der Chef zu jeder Minute fest im Griff. Seit es das Satelliten-Navigationssystem GPS  gab, konnte der Standort eines jeden Lkw geortet und seine Fahrtroute nachvollzogen werden. Einfach außerhalb der vorgeschriebenen Pausen zu pennen, war unter diesen Umständen nicht möglich. Denn die Ausrede, in einem Stau zu stehen, ließ kein Chef dieser Welt mehr gelten. Über die Verkehrswarnsysteme waren per GPS und Handy-Technik auch solche Störungen abrufbar, weil auf den wichtigsten Straßen elektronische Anlagen sämtliche Daten registrieren. Freddy Osotzky scherte sich wenig darum, weil er meist mit Spezialaufgaben betraut war, bei denen es nicht auf Liefer- und Ladetermine ankam. Er hatte vorhin noch die 21-Uhr-Nachrichten des Südwestrundfunks gehört und mit besonderem Interesse den Wetterbericht verfolgt. Wolkenbruchartige Regenfälle wurden angekündigt. Das vom Atlantik her aufziehende Tiefdruckgebiet habe sich sogar noch verstärkt, sodass mindestens bis Dienstag über ganz Westdeutschland mit kräftigen Niederschlägen zu rechnen sei, hieß es. Ein Sauwetter, dachte Osotzky – eigentlich nichts, um mit dem Brummi auf Tour zu gehen. Er kletterte in die Fahrerkabine und spürte das durchnässte Hemd. Der Diesel dröhnte gleichmäßig vor sich hin.
    Der Mann legte sein kleines Köfferchen mit den wichtigsten Utensilien auf den Beifahrersitz. Dann programmierte er in das Navigationssystem eine Adresse an der niederländischen Grenze ein. Er kannte sie bereits auswendig, so oft hatte er sie in den vergangenen Monaten schon angesteuert. Als er mit der »Enter«-Taste die Daten gespeichert hatte, übertönte das elektronische Klingeln seines Handys das geradezu donnernde Prasseln des Regens. Osotzky fingerte das Gerät von seinem Hosenbund und stütze sich mit den Armen auf dem Lenkrad ab. Es war der Chef, wie er auf dem Display erkannte.
    »Ja?« meldete sich der Fernfahrer knapp und blickte unterdessen durch die Wasserwand, die an der Windschutzscheibe hinabrann.
    »Alles okay?« hörte er die Stimme fragen.
    »Bin abfahrtbereit, alles gecheckt«, erwiderte Osotzky und sah, wie der erste Laster vom Hof rollte. Rundum brannten an den Gebäuden bereits die Halogenscheinwerfer, mit denen das Betriebsgelände beleuchtet wurde.
    »Okay«, zeigte sich der Chef zufrieden, »melden Sie sich, wenn alles erledigt ist.«
    »Wie immer«, bestätigte Osotzky. Damit war das Gespräch beendet. Er drückte das Handy in eine Halterung am Armaturenbrett und schaltete das Radio ein – auf SWR 4, den einzigen Sender weit und breit, der nicht diese aggressive und nervtötende Musik spielte, die jeden Autofahrer auf der Autobahn zum Rambo machen konnte.
    Osotzky blätterte in dem Ordner mit den umfangreichen Frachtpapieren. Am Heck des Sattelauflegers, das hatte er vorhin noch geprüft, war die orangenfarbene Tafel mit den richtigen Zahlencodes angebracht. Mit deren Hilfe konnten im Ernstfall die Rettungskräfte sofort erkennen, um welche Stoffe es sich bei dem transportierten Gefahrengut handelte. Alles war korrekt organisiert, sodass es auch bei einer Polizeikontrolle, mit der immer zu rechnen war, keine Beanstandungen geben würde.
    Osotzky legte ein neues Blatt in den Fahrtenschreiber. Dann war’s zehn vor zehn. Er schaltete die Scheinwerfer ein und brachte den Schalthebel in Position. Es konnte losgehen. Die Frauenstimme des Navigationsgeräts wies ihm bereits den Weg: »Nach einhundert Metern rechts abbiegen.« Erstes Ziel war die A 7 – nordwärts.
     
    Die Stimmung im Festzelt brodelte, die Luft war schwül und warm. Mittlerweile waren nahezu alle Plätze belegt. Die beiden schwäbischen Musiker auf der Bühne hatten ihr Publikum im Griff. »Aerobic, Aerobic – Arme rauf mit Schwung«, sang Hans-Ulrich Pohl und ließ seine rechte Hand über die Saiten der Gitarre flitzen, während sein Kollege Marcel Schindling das Schlagzeug malträtierte. Die Zuschauer waren aufgestanden und hatten singend und klatschend und mit Begeisterung die Fitness-Übungen mitgemacht: Arme rauf mit Schwung.
    Häberle und Linkohr, ziemlich durchnässt, blieben am Eingang stehen und bezahlten den Eintritt. Musik und Gesang waren so laut, dass sie den Kassierer erst verstanden, als sie sich zu ihm beugten. Zweimal zehn Euro. Der Chefermittler eilte

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