MORDMETHODEN
das schön sein, wenn die Ulla noch hier wäre«, sagte er. Das war zwei Tage vor der Tat. »Nach dem Tod seiner Frau und seines Kindes dachte ich sowieso, der Walter wird verrückt«, erinnerte sich der Schwiegervater.
Was blieb, war Fassungslosigkeit
In der Presse herrschte große Aufregung, Entsetzen und Mitgefühl machten sich breit. »Die Eltern«, schrieb der Kommentator des Kölner Stadt-Anzeigers auf Seite eins, »und jeder, der ihre Sorge um die verletzten Kinder teilt und sich angerührt fühlt von der unfassbaren Tat … können nur schaudernd sehen, wessen ein Mensch fähig ist und wie hilflos wir alle einem von ihnen ausgeliefert sein können.« Sogar französische Zeitungen brachten das Feuerattentat auf ihren Titelseiten.
Dennoch, die Schwiegermutter konnte das alles nicht glauben. »Ich kann es gar nicht fassen, das ist doch unmöglich!«, redete sie auf den Journalisten Erich Schaake ein, als sie von der Tat erfuhr. »Unser vernünftiger Walter soll das getan haben? Der kann doch keiner Fliege etwas zuleide tun! Wenn Sie mir gesagt hätten, der Himmel über Volkhoven wäre zusammengestürzt, das hätte ich eher geglaubt. Er war so ein guter Junge.«
Als Seifert am Abend des Überfalls starb, war für die wirtschaftlich gerade wieder auf die Beine gekommenen Nachkriegsdeutschen etwas geschehen, das zu fürchterlich war, um darüber nachzudenken. Sie blendeten die Tat in den folgenden Jahren einfach aus. Das gesamte Geschehen lag für sie jenseits des Verstehbaren. Nur eine Erklärung hörte man hin und wieder: Eine der Lehrerinnen soll Seiferts Frau ähnlich gesehen haben. Hätte der Täter sich auch nur ansatzweise zu den wahren Motiven seiner Tat geäußert, hätte das Grauenvielleicht eher Gestalt angenommen und verarbeitet werden können. So aber herrscht seit fast 40 Jahren Schweigen in Volkhoven, wenn das Gespräch auf Walter Seifert und seine Tat zu kommen droht. Er war ebenso wenig ein »guter Junge«, wie die Welt in den Sechzigerjahren rein und gut war. Doch darüber wollte damals erst recht niemand nachdenken.
Der vergessene Serientäter (Vater Denke)
Täter wie Walter Seifert, die nicht über ihre Motive sprechen, versetzen die Menschen in Angst und Schrecken. Andererseits haben die Medien dann kaum etwas Spannendes zu berichten. Ein weiteres Beispiel dafür ist der Fall von Vater Denke. Sein Name wie seine Taten sind trotz ihres unfassbaren Ausmaßes so gut wie vergessen, während gesprächige Mörder wie Jeffrey Dahmer, Ed Gein oder Charles Manson bei ihren Fans Kultstatus genießen und von Tassen, T-Shirts und Websites herabblicken.
Die stummen Täter machen es uns hingegen schwer, ihre Taten zu deuten. Doch so, wie wir die heutige Quantenphysik hinnehmen müssen, ohne sie mit unserer Alltagswahrnehmung in Einklang bringen zu können, müssen wir auch damit leben, dass es Taten gibt, deren Gründe wir nicht verstehen. Vor allem eine Grundfrage ist bis heute nicht gelöst: Was macht den einen Menschen zum Verbrecher, den anderen mit vergleichbarem Lebensschicksal aber zum Krankenpfleger, Polizisten, Schreiner oder Staatsanwalt? Solange wir darauf keine Antwort haben, wollen wir auch geistig herausfordernde Fälle so betrachten, wie sie uns rein kriminalistisch entgegentreten. Das gilt auch für Vater Denke.
Serienmord
Filmemacher, Psychiater und Kriminalisten haben den Fall Denke wenig beachtet. Deshalb sollen die Taten hier so wiedergegeben werden, wie sie damals gesehen und verstanden wurden. Obwohl Denke lange vor dem Serientäter Ed Gein (verhaftet 1957) sein Unwesen trieb, dessen Taten Filme wie Psycho oder Das Schweigen der Lämmer anregten, hätte Denke mit größerem Recht als Vorlage für die Psycho-Horror-Welle im Kino dienen können. Doch Denke blieb stumm, und so konnte man noch nicht einmal darüber erschrecken, wie abgestumpft er gewesen sein musste.
Der Rechtsmediziner Pietrusky aus Breslau stellte den Fall 1925 auf dem Kongress für gerichtliche und soziale Medizin in Bonn vor, und im Jahr darauf veröffentlichte ihn die Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin . Hier ist Pietruskys Bericht:
über kriminelle leichenzerstückelung.
der fall denke.
Die Taten des Massenmörders Haarmann hatten noch nicht ihre Sühne gefunden, da wurde ein Verbrechen in Münsterberg bekannt, das womöglich noch grauenhafter ist als das von diesem begangene. Karl Denke hat in den letzten 21 Jahren über 31 Menschen gemordet, ihr Fleisch zum Teil selbst genossen,
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