MORDMETHODEN
grausigen Fund, und von der Universität Heidelberg werden Rechtsmediziner angefordert. Die stellen fest, dass der Schädelknochen des Mannes verletzt war, bevor seine Leiche angezündet wurde.
Die Textil- und Haarreste an der Leiche erlauben schon am kommenden Tag erste Aussagen darüber, wie der Mann einst ausgesehen haben muss: Er hatte braune, gewellte Haare und trug weiße Frotteesocken, geflochtene braune Slipper, schwarze Jeans und ein türkisfarbenes Hemd oder T-Shirt. Eine ungewöhnliche Bekleidung, die eher in die Achtziger- als in die Neunzigerjahre zu passen scheint. Im Übrigen ist die Leiche aufgrund der Verbrennungen unkenntlich.
Da der Körper direkt an einem asphaltierten Weg liegt, ist es wenig wahrscheinlich, dass er dort am hellen Tag abgelegt wurde. Es bleibt die vorhergehende Nacht von Donnerstag auf Freitag.
Derweil wird der Tote obduziert. Er war mit 25 bis 35 Jahren und einem Körpergewicht um die 60 Kilo recht jung und rank. Seine Zähne waren in sehr schlechtem Zustand. Auf dem linken Oberarm fand sich eine merkwürdige, unprofessionelle Tätowierung, die ebenso gut einen Hund wie eine Taube oder eine Hellebarde darstellen konnte. Außerdem trug der Mann einen Schnauzbart. Das alles ließ auf mögliche Verbindungen zu zwielichtigen oder sozial schwachen Kreisen schließen. Schon am folgenden Montag wurde bei der Mannheimer Kriminalpolizei ein Anrufbeantworter freigeschaltet, auf den jedermann anonym Hinweise auf den Mann oder die Tat sprechen konnte. Immerhin stand die seit Kriegsende übliche und leider bis heute nie erhöhte Belohnung von 3000 Mark (1534 Euro) in Aussicht.
Wie nicht anders zu erwarten, kamen aus der Unterwelt keinerlei Hinweise. Allerdings hatte die Wuppertaler Polizei eine Idee, als sie zwei Wochen später den Mord an einem betagten Rentnerehepaar untersuchte. Die beiden Sammler waren in Solingen überfallen und erschossen worden; die Täter stahlen Uhren, Münzen und Schmuck im Wert von mehr als 100 000 Euro. Zuvor hatten sich zwei osteuropäisch wirkende Männer auf der Straße nach den Sammlern erkundigt. Dieses Verbrechen ähnelte einem weiteren, das sich im Juli zugetragen hatte.
Damals hatten osteuropäische Männer einen Münzhändler in Hanau (bei Frankfurt am Main) überfallen. Mit vorgehaltener Schusswaffe zwangen sie den Mann, seine Wohnung zu öffnen. Der Händler wurde gefesselt, die Räuber stahlen wertvolle Stücke und verschwanden dann mit seinem Auto. In diesem Fall töteten sie ihr Opfer nicht, und die Ermittlungen konnten rasch anlaufen.
Das Duo fuhr bis zu einem Rastplatz nahe Viernheim; dort stellte es den Wagen ab und verschwand. Das brachte die Mannheimer Polizei ins Grübeln. Denn erstens lag dieser Rastplatz nur wenige Kilometer vom Fundort der verkohlten Leiche im Maisfeld entfernt. Und zweitens konnte der tote Mann vom Körperbau her ebenfalls Osteuropäer sein. Sollte der Tote zu einem Verbrechertrupp gehören, nun aber selbst Opfer geworden sein? Die Kopfschüsse und die Verbrennung ließen das zumindest denkbar erscheinen. Doch damit waren die Ermittlungen an einem toten Punkt angelangt. Die Täter waren vermutlich längst wieder in Osteuropa. Ein gutes halbes Jahr lang war vom Mord im Mannheimer Maisfeld nichts Neues zu hören.
Im Januar 1994 nahm sich die ZDF-Sendung Aktenzeichen XY ungelöst des Falls an. Die Sache wurde vor allem mit dem Doppelmord in Solingen und dem Überfall in Hanau in Verbindung gebracht. Tatsächlich gerieten zwei polnische Staatsbürger ins Visier, die in Mannheim gemeldet waren. Es schien sich um Auftragsmörder zu handeln. Das vermutete auch die polnische Polizei, die beide Männer wegen eines Mordes in Lublin suchte.
Aktuelle und ältere Fotos der Männer wurden veröffentlicht. Kleine Veränderungen ihres Äußeren ließen die beiden ganz unterschiedlich aussehen. Auf einem Foto gleicht der Jüngere schlimmstenfalls einem frechen Straßenschläger, auf dem anderen sieht er wie ein abgebrühter Geschäftsmann aus. Der andere Gesuchte hatte sich mittlerweile einen Schnauzbart wachsen lassen. Die Hoffnung, die Täter zu fassen, war angesichts ihres Vorsprungs gering; zudem hatten sie gefälschte Ausweise bei sich. Allerdings wurden die Tarnnamen des einen (Klarname: Kwiek) bekannt: »Darius Sosnowski« alias »Waldemar Peasecki« alias »Marius Czerwinski«.
Eine erfolgreiche Gesichtsnachbildung
Genauso wichtig wie die Suche nach den Tätern war die Frage, wer der Tote war. Der Bonner Rechtsmediziner
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