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MORDMETHODEN

MORDMETHODEN

Titel: MORDMETHODEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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auf Taiwan und den Philippinen. Es ist daher schwer verständlich, dass Notzucht noch in 18 US-Staaten als ein todeswürdiges Verbrechen gilt.«
    Doch wo liegt das Problem? Was ist grundsätzlich falsch an der Todesstrafe für Verbrechen, die einer Gesellschaft nichterträglich sind, etwa Kindesmord? Die Antwort darauf ist verblüffend einfach.
    In der christlichen Welt leitet sich die Unmöglichkeit von Todesstrafen aus der neutestamentlichen Lehre des unbedingten Verzeihens ab. Selbst wenn wir uns nicht verpflichtet fühlen, eine Tat insgesamt zu verzeihen, sollte die Mindestvereinbarung doch lauten, den Täter wenigstens nicht zu töten. Der zweite wichtige Grund gegen die Todesstrafe ist ebenso simpel. Ein moderner Staat kann sich im Grunde niemals auf die Stufe des Tötens begeben, weil er dieses ja selbst bekämpft. Der Staat soll lenken und bessern, aber nicht henken und dem Schnitter Amtshilfe leisten.
    Schon 1867 sagte Victor Hugo richtig voraus, dass spätestens im 20. Jahrhundert »die Errichtung des Schafotts der Nation Europa als eine Schmach erscheinen« müsse: »Die Enthauptung eines Menschen wird unmöglich sein.« Vielleicht wird diese Aussage des französischen Schriftstellers (der in einer vietnamesischen Splitterreligion sogar als Heiliger verehrt wird) im 21. Jahrhundert auch außerhalb Europas Geltung erhalten. Bis dahin lohnt es sich, abseits gesellschaftlicher Überlegungen nachzuforschen, ob Todesstrafen wenigstens biologisch das halten, was sie versprechen: die schmerzfreie Beseitigung unerwünschter Mitmenschen.
Der blinzelnde Kopf
    Bewirken Hinrichtungen einen schnellen Tod? Vor allem seit Einführung der Guillotine wird diese Frage immer wieder gestellt. Das ist verwunderlich, weil doch gerade das Fallbeil als humanste Todesmaschine gilt. Es hält sich aber das Gerücht, ein abgetrennter Kopf könne noch etwas spüren oder sehen. Ist das vorstellbar?
    So ist der Bonner Neurochirurg Detlev Linke überzeugt, dass ein Kopf »noch für eine halbe Minute bewusste Wahrnehmungen vollführt. Desgleichen kann auch ein kopfloserRumpf noch einige Schritte laufen, wie dies Störtebeker getan haben soll. Nach der Enthauptung eines Verbrechers 1875 in Lyon beobachtete die entsetzte Menge, wie sich der in den Sarg gelegte Rumpf des Opfers erhob, dann zur Seite fiel und ein zweites Mal versuchte, aus dem Sarg zu steigen. Danach wurden öffentliche Hinrichtungen abgeschafft, da man glaubte, dass der moralische Effekt der Abschreckung durch die vegetativen Reaktionen des Entsetzens zunichte gemacht würde«.
    Kurt Rossa hat diese Mischung aus Furcht, Aberglaube und trocken-medizinischen Vermutungen überaus anschaulich zusammengefasst:
    »In den Klatschspalten der Weltgeschichte finden sich die Erzählungen von der Hinrichtung der Royalistin Charlotte Corday, die den für die ›Septembermorde‹ mitverantwortlichen Präsidenten des Jakobinerklubs Jean-Paul Marat erstochen hat und dafür am 17. Juli 1793 in Paris enthauptet wurde. Als der Henker ihren abgetrennten Kopf an den Haaren hochhob, um ihn dem ›heulenden Pöbel‹ zu zeigen, hat einer seiner Gehilfen diesem Kopf einen Schlag auf die Wange gegeben. Eine ›nüchterne Amtsperson‹ hinterließ über das weitere Geschehen folgende Aufzeichnungen: ›Lange nachdem Charlotte Cordays Kopf vom Rumpf getrennt worden war, verriet er den Ausdruck unmissverständlicher Entrüstung … Beide Wangen waren gerötet … Man kann nicht argumentieren, dass der Schlag dieses Erröten verursachte, denn man kann die Wangen von Toten schlagen, ohne diese Wirkung zu erzielen; sie verfärben sich niemals. Überdies hatte der Schlag nur eine Wange getroffen, trotzdem verfärbte sich auch die andere Wange …‹«
    Eine Legende? Dazu zwei Ärzte, die einer Enthauptung beiwohnten: »Wenn wir uns erlauben dürfen, unsere Meinung zu diesem Problem zu äußern, so handelt es sich um ein furchtbares Schauspiel. Das Blut entströmt den Gefäßen im Rhythmus der durchschnittenen Schlagadern, dann gerinnt es. Die Muskelnverkrampfen sich, und ihre Zuckungen sind Entsetzen erregend; die Eingeweide werden von wellenförmigen Bewegungen durchlaufen, und das Herz zieht sich in unregelmäßigen, faszinierenden Bewegungen zusammen. Der Mund verzerrt sich für Augenblicke zu einer fürchterlichen Grimasse. Es stimmt, dass in diesem vom Rumpf getrennten Haupt die Augen mit ihren geweiteten Pupillen unbeweglich bleiben; zum Glück sind sie blicklos; auch wenn sie keine Leichenopaleszenz

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