Mordrausch
hat schlimme Narben bei ihr hinterlassen«, sagte Lucas.
»Ich bin’s allmählich leid, auf Weather aufzupassen«, erklärte Virgil. »Wenn’s euch nichts ausmacht, fahre ich ins Krankenhaus und höre mich um.«
»Das verärgert vielleicht Marcy«, sagte Del. »Sie gibt ungern Fälle ab.«
»Damit wird sie leben müssen«, erwiderte Virgil. »Ihre eigenen Leute treten auf der Stelle. Vielleicht finde ich ja was raus.«
»Wie geht’s den Zwillingen?«, erkundigte Lucas sich bei Weather.
»Besser. Wahrscheinlich können wir morgen weitermachen.«
»Sie werden ihr nichts tun, während sie operiert oder mit ihren Kollegen zusammen ist«, bemerkte Virgil. »Sie soll mich anfunken, sobald sie fertig ist. Ansonsten sitze ich in der Cafeteria und esse Götterspeise.«
»Okay«, sagte Lucas. »Hör dich um, aber gib dir Mühe, Marcys Leuten nicht auf den Schlips zu treten.«
»Und was sollen wir machen?«, fragte Del.
Lucas erzählte ihnen von Marcys Plan, Lyle Mack die Daumenschrauben anzulegen, sobald sie Joe erwischt hätten. »Wir holen ihn ab und nehmen ihn im Revier in den Schwitzkasten … Soll er ruhig einen Anwalt engagieren. Unter Umständen verrät er uns den Insider im Krankenhaus oder bringt Joe dazu, es zu tun. Wir haben mehr als genug Beweise gegen Joe, aber nichts gegen Lyle, also könnte es gut sein, dass Lyle versucht, seine eigene Haut zu retten.«
»Außerdem sollten wir herausfinden, wer mit Joe Mack befreundet ist«, sagte Del. »Irgendjemand versteckt ihn.«
»Es sei denn, er ist tatsächlich in Mexiko«, meinte Weather.
»Marcy hat das FBI auf ihn angesetzt«, sagte Lucas. »Das überwacht die kanadische und die mexikanische Grenze. Und wir halten hier die Augen offen.«
Um neun Uhr übergab Lyle Mack die Kneipe an Honey Bee und machte sich auf den Heimweg. Es war seltsam, so früh zu gehen. Er blickte in den Rückspiegel, um zu sehen, ob die Bullen ihm folgten. Jede Menge Autos, doch Lyle hatte keine Ahnung, ob das Polizei war.
Er wohnte in einem schäbigen, aber ruhigen Viertel etwa eineinhalb Kilometer von der Kneipe entfernt, in einem Bungalow mit vier Zimmern, trockenem Keller und Doppelgarage dahinter. Er stellte den Wagen in die Garage, ging ins Haus und schaltete das Licht an.
Und den Fernseher.
»Verdammt.« Er hatte Angst. Lyle kehrte in die Küche zurück, schaltete das Licht wieder aus und setzte sich vor den Fernseher, wo die Sportschau lief. Eine halbe Stunde später legte er sich ins Bett, konnte aber nicht einschlafen. Acht Stunden lang schaute er alle fünfzehn Minuten auf die Uhr. Als der Wecker um fünf klingelte, wusste er, dass er zwischendurch eingedöst sein musste, denn er schreckte aus dem Schlaf hoch.
Er stand, vor Erschöpfung benommen, auf und rief von seinem sauberen Handy aus Cappy an. »Wo steckst du?«
»Auf dem Wal-Mart-Parkplatz.«
»Wir machen’s.«
»Sag Bescheid, wenn du so weit bist«, erwiderte Cappy.
Lyle Mack zog sich im Dunkeln an. Als er Jacke und Handschuhe anhatte, blickte er durch den Spalt zwischen den Vorhängen im vorderen Zimmer auf die Straße hinaus und konnte keine verdächtigen Fahrzeuge entdecken. Er bezweifelte, dass sie ihn beobachteten, aber …
»Mann«, stöhnte er. Er hatte Angst, als er in die Garage ging, sich an dem Truck vorbei zur hinteren Tür vortastete und schließlich all seinen Mut zusammennahm und hinaustrat.
Im näheren Umkreis war niemand zu sehen an diesem kalten, dunklen Januarmorgen. Lyle Mack lauschte kurz und bewegte sich, als er nichts anderes hörte als ferne Motorengeräusche von der I-494, in Richtung Straße.
Dort blieb er neben einer Hecke stehen und drückte den Schnellwahlknopf für Cappys Nummer. Cappy ging sofort ran. »Bin in zehn Sekunden da«, sagte er.
Zehn Sekunden später bog Cappy mit seinem alten Van um die Ecke, nicht mit dem von Joe Mack. Lyle Mack kletterte hinein und sagte: »Arschkalt heute. Machst du blau?«
»Ja. Der erste Tag überhaupt, dass ich nicht in der Arbeit erscheine«, antwortete Cappy. »Ich hab ihnen erzählt, ich hätte die Grippe.«
»Aha. Da entlang.« Er zeigte Cappy die Richtung.
Cappy fuhr durch Lyle Macks Viertel, ohne einen Verfolger zu bemerken, lenkte den Wagen zum Cherries und blieb einen Häuserblock davon entfernt stehen. Dort stieg Lyle in Joe Macks alten Van. Dann machten sie sich auf den Weg nach St. Paul, Cappy einen halben Häuserblock hinter Lyle.
Barakat erwartete sie schon.
Lyle Mack stellte den Van in Barakats Auffahrt ab, Cappy
Weitere Kostenlose Bücher