Mordsgefluester
sie war auch die Frau, die mich auf dem Parkplatz zu überfahren versucht hatte? Vielleicht war sie das gar nicht gewesen, aber ich konnte ihr wunderbar die Schuld dafür in die Schuhe schieben, und so schob ich mit aller Kraft.
In dem Gefühl vollkommener Sicherheit würde ich in meinem anonymen Mietwagen zu Sticks and Stones fahren, um Monica Stevens in ihrer Löwenhöhle zu stellen, anschließend meinen Stoff kaufen gehen und danach neue Anziehsachen – wenn auch diesmal in einem anderen Einkaufszentrum –, bevor ich Sally besuchte. Nichts davon entsprach meinem normalen Tagesablauf, außerdem begann ich meine Rundfahrt nicht von daheim, sondern von einem ihr unbekannten Ort. Sie wusste nicht, wo ich war oder wie sie mich aufspüren konnte, das war ein geniales Gefühl.
Nach dem Frühstück fuhr Wyatt mit mir los, um mir ein neues Handy zu besorgen. Zu meiner Überraschung fuhr er nicht zu meinem Mobilfunkbetreiber, sondern zu seinem, und besorgte mir ein Zweithandy auf sein Konto. Natürlich behielt ich meine alte Nummer, aber unsere Verträge zusammenzulegen war ein eigentümlich … bindender Akt.
Das erinnerte mich an andere Kleinigkeiten, die ich noch zu erledigen hatte, wie die Verträge für Strom und Telefon zu kündigen. Ich war überzeugt, dass die Telefon- und die Kabelfernsehgesellschaft mir weiterhin Rechnungen schicken würden, selbst wenn ich inzwischen weder ein Telefon, noch einen Fernseher oder auch nur eine Wohnung besaß. Und ich musste meiner Versicherungsgesellschaft eine Inventarliste schicken. Mann, ich hatte geglaubt, ich hätte meinen Tag durchgeplant, aber plötzlich wucherten immer neue Aufgaben aus dem Chaos, die mich ins Straucheln brachten.
Unser nächster Halt war beim Flughafen, wo sich alle Autovermietungen niedergelassen hatten. Ich nahm einen Taurus – sie sind wirklich gut gefedert – und wer hätte das gedacht? Er war weiß. Die Farbe Weiß scheint für Mietwagen vorgeschrieben zu sein. Ich war nicht besonders glücklich mit dem Weiß, aber Wyatt war absolut gegen das Apfelrot. »Zu auffällig«, meinte er.
Wohl schon.
Dann küsste er mich und war den Tag über verschwunden.
Es war erst neun Uhr, zu früh, als dass Sticks and Stones schon geöffnet hatte. Um die Zeit totzuschlagen, fuhr ich in einen weiteren Stoffladen. Kein Glück. Es war entmutigend, aber immerhin hatte ich mit der Durchsuchung des Ladens fast eine Stunde totgeschlagen und konnte direkt zu Sticks and Stones weiterfahren.
Mich begrüßte dieselbe zaundürre Frau wie beim ersten Mal, doch ihr Lächeln gefror, als sie meine Jeans und den leichten Pulli sah. »Kann ich Ihnen helfen?«
Ich kam nicht mehr umhin, ich musste sprechen – flüstern, genauer gesagt. »Ich bin Blair Mallory. Ich habe vorgestern meine Karte hiergelassen, aber Mrs Stevens hat nicht zurückgerufen.« Ich bemerkte, wie sie erschrocken ein wenig zurückwich, als wäre ich ansteckend. »Ja, ich habe eine schwere Stimmbandentzündung. Nein, Sie können sich nicht anstecken. Mein Haus ist gestern früh niedergebrannt, und der Rauch hat meine Stimmbänder angegriffen, das heißt, dass ich nicht besonders gut gelaunt bin und Monica wirklich gern sprechen würde. Möglichst sofort.«
Das war ein verflucht langer Text, selbst das Flüstern strengte mich an. Bis ich fertig war, hatte sich meine Miene verdüstert. Ich konnte die Frau nicht leiden.
Eigenartigerweise schien sie die Nachricht, dass mein Haus niedergebrannt war, zu freuen. Erst nach ein paar Sekunden ging mir auf, dass sie ein neues Haus mit neuen Möbeln und einer neuen Einrichtung gleichsetzte. Ich rätselte, ob sie die Zeitungen nach Bränden durchforstete, so wie Winkeladvokaten nach Autounfällen Ausschau halten.
Sie führte mich durch den Laden nach hinten, wo die Büros untergebracht waren. Hier hinten mutete das Geschäft völlig anders an; riesige Bücher voller Stoffproben waren zu wackligen Stapeln aufgetürmt, Möbel verschiedenster Stilrichtungen standen kreuz und quer im Gang herum, an den Wänden lehnten gerahmte Kunstwerke. Mir gefiel dieser Teil des Ladens wesentlich besser; hier wurde gearbeitet. Hier spürte ich Energie, anders als im vorderen Ausstellungsraum mit seinem kühlen, strengen Styling.
Die Frau klopfte an eine Bürotür und drückte sie auf, ohne auf ein Herein zu warten. »Ms Stevens, das ist Blair Mallory«, kündigte sie mich an, als wollte sie mich der englischen Königin vorstellen. »Sie hat einen entzündeten Rachen, weil ihr Haus
Weitere Kostenlose Bücher