Mordsgefluester
beflügeln.
Sie griff nach einem Skizzenblock und zeichnete bemerkenswert akkurat Sallys Schlafzimmer nach. Sie arbeitete schnell, die Buntstifte flogen nur so übers Papier. »Was halten Sie hiervon?«, fragte sie und drehte den Block herum, sodass ich sehen konnte, was sie gezeichnet hatte.
Das Zimmer mutete urgemütlich an, die Stoffe hatten Farbe, und die Möbel waren aus warmem Holz. »Ich kann mich noch gut an diese Antiquitäten erinnern«, sagte sie. »Sie waren wunderschön gearbeitet; ich kann sie unmöglich ersetzen, aber ich kann wahrscheinlich ein, zwei kleinere, wirklich gute Stücke auftreiben, die ein ähnliches Feeling vermitteln.«
»Mrs Arledge würde so ein Zimmer lieben«, sagte ich. »Aber ich muss Sie vorwarnen, dass Jazz nicht gewillt ist, auch nur einen weiteren Penny auszugeben. Die ganze Geschichte hat ihn sehr verbittert.«
»Das wird sich ändern, wenn ich fertig bin«, sagte sie lächelnd. »Und ich werde dabei keinen Penny verlieren, das verspreche ich Ihnen.«
Nachdem ich die astronomischen Preise auf ihrer Rechnung gesehen hatte, glaubte ich ihr aufs Wort.
Zwei Drittel meiner Mission waren vollbracht. Jetzt stand mir nur noch der schwerste Teil bevor: Sally.
25
Obwohl meine Stalkerin theoretisch nicht wissen konnte, wo ich war, sah ich mich dennoch genau um, als ich das Sticks and Stones verließ. Nichts zu sehen. Wahrscheinlich könnte ich nie wieder einen weißen Chevrolet sehen, ohne einen Anflug von Panik zu spüren, was, recht bedacht, echt nervig werden konnte. Wie Wyatt so richtig angemerkt hatte, gab es Tausende und Abertausende von weißen Chevrolets. Wahrscheinlich würde sich mein Herz permanent zusammenkrampfen.
Ich brauchte etwas Heißes zu trinken für meinen Hals, und ich brauchte Stoff für mein Kleid. Und ich musste, verflucht noch mal, endlich die Kabel- und die Telefongesellschaft anrufen – nein, ich musste wahrscheinlich persönlich dort auftauchen und meinen Führerschein vorlegen, da ich meine Kontonummer nicht wusste. Außerdem musste ich neue Kleider kaufen. Und meine Stiefel! Meine blauen Stiefel! Bestimmt waren sie schon als unzustellbar zurückgeschickt worden, aber ich wollte sie trotzdem haben. Leider hatte ich die Bestellnummer nicht mehr, weil die mitsamt meiner Wohnung in Rauch aufgegangen war, weshalb ich nicht bei Zappos anrufen konnte, um die Stiefel an meine neue Adresse schicken zu lassen.
Ein Lächeln erstrahlte auf meinem Gesicht. Dafür konnte ich auf Wyatts Computer ein neues Paar bestellen.
Während ich unterwegs zu meinem zweitliebsten Einkaufszentrum war, rief Siana an. »Mom hat erzählt, dass du nicht mehr sprechen kannst. Klopf einmal aufs Handy, wenn das stimmt.«
»Das war gestern«, krächzte ich.
»Ich kann dich hören! Wie geht es dir?«
»Besser.« Ich hielt nach einem McDonald’s Ausschau. Nach einer Tasse Kaffee würde es mir noch besser gehen.
»Kann ich dir irgendwie helfen?«
»Nicht im Moment.« Im Moment war ich in einem Stadium, in dem ich alles selbst erledigen musste.
»Hast du eine Ahnung, wer das Feuer gelegt haben könnte?«
»Ich habe ihr Gesicht gesehen«, krächzte ich wieder. »Sie kommt mir vertraut vor, aber ich weiß nicht woher.«
Siana als Logikerin erklärte: »Also, nachdem die ganze Sache erst vor Kurzem begonnen hat, musst du sie von einem Ort her kennen, an dem du in letzter Zeit warst. Geh alle Möglichkeiten durch, dann macht es vielleicht irgendwo Klick.«
»Das dachte ich auch schon, aber ich bin meinen Tagesablauf wieder und wieder durchgegangen, ohne dass ich sie zuordnen könnte.«
»Dann kennst du sie von einem Ort, an dem du normalerweise nicht bist.«
Das ging mir nicht mehr aus dem Kopf, während ich die Läden im Einkaufszentrum durchforstete. All das hatte in dem anderen Einkaufszentrum begonnen, wo ich in einer Unzahl von Geschäften gewesen war. Hatte ich sie dort vielleicht gesehen? Ich versuchte mich zu entsinnen, ob in einem der Geschäfte etwas Außergewöhnliches geschehen war, das mir Grund gegeben hätte, ihr Gesicht im Gedächtnis zu behalten. Der Gedanke lenkte mich sogar beim Anprobieren diverser Schuhe ab, und das ist absolut unfair, weil Schuhe zu kaufen zu den großen Freuden im Leben gehört. Ich hatte es verdient, dem Ritual meine ganze Aufmerksamkeit schenken zu können.
Ich versuchte nicht, meine gesamte Garderobe in einem Schwung zu ersetzen – das wäre auch unmöglich gewesen –, aber ich bemühte mich doch, alle möglichen Notwendigkeiten
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