Mordsidyll
wieder zum Filmteam stieÃ, bestanden die Moderatorin und der Kameramann darauf, dass Anna zumindest ihre Gummistiefel und den Kittel anzog. »Wir wollen Sie glaubwürdig zeigen, Frau Lobbisch«, erklärte Anne Willmes.
»Wie Sie wollen!« Anna lächelte gequält und folgte den Anweisungen.
»Wir sind ja fast Namensvetterinnen«, munterte die Journalistin sie auf. »Jetzt erzählen Sie mal, wie so ein typischer Tag auf dem Hof aussieht. Und zeigen Sie uns bitte alles!«
*
Schröder und sein frisch gebackener Chef saÃen in seinem Dienstwagen und nahmen ein verspätetes Mittagessen zu sich. Nachdem sie die Cheeseburger am Drive-in-Schalter in Empfang genommen hatten, war Ruste an dieses sonnige Plätzchen am Waldrand gefahren und hatte in bestimmendem Ton erklärt, er würde sich nun eine wohlverdiente Pause gönnen.
Schröder hingegen prüfte die DNU-Liste, die er auf einem Klemmbrett fixiert hatte, während er seinen Burger aÃ. Hinter vielen Namen war bereits ein Häkchen gesetzt. Das Alibi dieser Parteimitglieder hatten sie bereits überprüft. Bei einigen stand jedoch ein Fragezeichen. »Bei vielen habe ich gar nicht den Eindruck, dass sie Nazis sind«, murmelte er.
»Was erwarten Sie denn? Dass man uns mit einem Hitlergruà empfängt und alle braune Hemden tragen?«, erwiderte Ruste, während er am Strohhalm seiner Cola light saugte.
»Wenn ich ehrlich bin â so was in der Richtung.«
»Das Problem steckt in den Köpfen«, erklärte Ruste. »Es ist die Einstellung der Leute. Aber vielleicht sind wir ohnehin auf der falschen Fährte. Wahrscheinlich spielt Ausländerfeindlichkeit in diesem Fall gar keine Rolle. Was meinen Sie?«
Schröder blieb der Bissen im Hals stecken. »Was meinen Sie mit âºRolleâ¹?«, fragte er unsicher.
»Wie?«, fragte Ruste zurück.
»Sie sagten, es spiele keine Rolle .«
»Ich meinte es so, wie ich es gesagt habe. Was haben Sie auf einmal?«
âºRolleâ¹ war ein Unwort, das Schröder augenblicklich in seine Vergangenheit in Bottrop zurückkatapultierte. Schlagartig tauchten die Ereignisse wieder vor seinem inneren Auge auf. Wie sein Vater, ein Bergarbeiter, der  â wie man im Ruhrpott sagte â âºgutes Geldâ¹ verdiente hatte, seinem schmächtigen Sohn eine andere Berufswahl als die eigene ans Herz gelegt hatte. Wie stolz sein alter Herr gewesen war, selbst wegen des Zechensterbens in die Frührente geschickt, als sein Sohn das Gymnasium besuchte. Schröder hatte daher seinen Vater nicht damit belasten wollen, dass die anderen Kinder der Klasse ihn hänselten und er nirgendwo dazugehörte. Durch diese Probleme wurde ihm schon früh klar, wohin sein Weg gehen sollte: Er wollte Polizist und respektiert werden.
Gerade als sich mit seiner Zuteilung zur Dienststelle in Bottrop alles zum Besseren zu wenden schien, schlug kurz nach seinem Arbeitsantritt das Schicksal zurück. Schröder saà gerade auf der Toilette, als die Tür aufflog und jemand brüllte: »Einsatz! Alle sofort in voller Montur unten im Hof antreten!«
Eilig putzte er sich den Hintern ab, riss sich die Hose hoch und raste aus der Kabine heraus. Er rannte über den Flur des ersten Stockes, während seine Kameraden ihm schon mit schusssicheren Westen und Helmen grinsend entgegenkamen. An der Ecke zur groÃen Haupttreppe stieà Schröder dann mit dem Dienststellenleiter zusammen.
»Schröder, wohin so eilig?«, fragte der Mann, dessen Statur allein schon Respekt einflöÃend war.
»Einsatzbefehl, Herr Polizeihauptkommissar!«
»Sie wollen wohl eine tragende Rolle bei uns spielen, Schröder?«
Die anderen Polizisten auf dem Gang waren stehen geblieben und begannen, hinter seinem Rücken zu kichern.
»Sehr gerne, Herr Polizeihauptkommissar!«, antwortete Schröder unbeirrt.
»Quasi eine Hauptrolle, was, Schröder?« Der Leiter grinste ihn an. »Oder finden Sie das ganze Revier scheiÃe?«
Sein Vorgesetzter brach in schallendes Gelächter aus und klopfte Schröder auf die Schulter. Hinter ihm konnten sich die anderen nicht mehr zurückhalten â sie brüllten vor Lachen. Schröder sah sich verunsichert um, bis sein Blick an der Toilettenpapierrolle hängen blieb, die in seinem Hosenbund einklemmt war. Bei seinem Spurt über den Gang hatte sie sich abgewickelt,
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