Mordskind: Kriminalroman (German Edition)
still, aufmerksam hielt er den Kopf hoch, die Ohren aufgestellt, die Nase witternd in die Luft gereckt, stolz auf das Lob, das er für seine Arbeit erhalten hatte. Noch ein wenig weiter weg klammerte sich Jürgen Körner an einen Baumstamm. Irgendwann in der Nacht war er eingetroffen, nachdem die Suche nach seinem Sohn am Tag zuvor erfolglos geblieben war. Er war blaß und hatte Ringe unter den Augen. Hätte er nicht eigentlich braungebrannt sein müssen, überlegte Paula. Sicher hält er sich meistens in klimatisierten Büros auf. Außerdem, war das im Moment nicht völlig unwichtig?
Doris trat neben Paula ans Fenster. Eben brach die Nachmittagssonne durch die tiefhängenden Wolken, stumm beobachteten sie, wie die drei Taucher der Wasserwacht umständlich ihre Vorbereitungen trafen, dann endlich einzeln den wackeligen Steg betraten und in das stahlgraue Wasser des Grundsees glitten.
Simon saß währenddessen beleidigt in seinem Zimmer auf der Fensterbank. Er wäre gerne bei diesem großen Hund da draußen geblieben. Es mußte ein sehr kluger Hund sein. Ein Polizeihund, hatte der Polizist, der gar kein richtiger war, weil er keine Polizeiuniform trug, gesagt. Auf sein Bellen und Winseln hin waren diese vielen Männer gekommen, um nach Max zu suchen. Simon hätte gerne gesehen, wie man Max aus dem Wasser zog. Aber alle, der falsche Polizist, seine Mutter und Doris, hatten ihn in sein Zimmer geschickt. Wenigstens konnte er vom Fenster aus den Männern zusehen, daran hatten sie wohl nicht gedacht.
Die Taucher blieben lange unter Wasser. Doris hatte den Kopf gegen die Scheibe gelehnt und trommelte mit den Fingern dagegen. Das Getrommel zerrte an Paulas Nerven, aber sie konnte ihr doch unmöglich sagen, sie solle damit aufhören. Doch nicht in ihrer schrecklichen Situation. Im Gegenteil, Paula war froh, daß Doris sich so tapfer und ruhig verhielt. Die verzweifelte Hysterie des Vortags war jetzt einer gewissen Dumpfheit gewichen, vermutlich ausgelöst durch Schlafmangel und Beruhigungstabletten.
»Ich mache uns Tee«, sagte Paula und floh vor dem Geräusch in die Küche, wo sie angewidert zum Fenster hinausschaute. Ein hartnäckiges Rudel Reporter lauerte zwischen Doris’ Haus und ihrem Eingangstor, erstmals, seit Paula die Villa bewohnte, war es abgeschlossen. Uniformierte Polizisten paßten auf, daß niemand das Gelände betrat.
Es tat Paula gut, irgend was mit den Händen zu tun, es unterbrach wenigstens für Augenblicke das Karussell ihrer wirren Gedanken und Grübeleien, und sie brauchte um einiges länger als sonst für die Zubereitung von zwei Tassen Tee.
»Mein Gott«, stöhnte Doris, als Paula mit dem Tablett erschien, »wie lange das dauert.« Ihr Blick war nach draußen gerichtet. Bereits gestern abend hatte der Hund an dieser Stelle, an der jetzt die Männer herumstanden, Laut gegeben, aber wegen der Dunkelheit konnte nicht mehr allzuviel unternommen werden. Heute morgen waren zuerst die Beamten von der Spurensicherung erschienen, und es dauerte ein paar Stunden, ehe endlich Feuerwehr und Wasserwacht an die Arbeit gehen konnten.
Der Tee in Doris’ unberührter Tasse war bereits kalt geworden, als zwei der Taucher aus dem Wasser stiegen. An ihren Gesten war zu erkennen, daß sie nichts entdeckt hatten.
»Wo ist der dritte?« fragte Doris.
»Wahrscheinlich am Auslauf«, meinte Paula. »Dort ist so ein Rechen, oder ein Gitter, was weiß ich. Damit kein Treibholz den Bach verstopft. Es kommt also nichts«, sie schluckte, »aus dem See raus. Die Strömung treibt alles auf den Auslauf zu. Hat mir der Jäckle erklärt.«
»Der Jäckle«, schnaubte Doris. Gestern hatte er Doris ein paar unangenehme Fragen gestellt, was sie ihm sehr übel genommen hatte, obwohl man ihr von allen Seiten bestätigte, daß dies nun mal zur Routine gehöre. Verschwand ein Kind, zählten die Eltern automatisch zum Kreis der Verdächtigen. So sei das leider, heutzutage, hatte Staatsanwalt Monz mit sichtlichem Bedauern erklärt. Es käme immer wieder vor, daß Eltern versuchten, Kindestötungen als Fremdvergehen zu tarnen.
»Der Jäckle soll lieber diesen Kerl, den du in deinem Garten beschäftigt hast, verhören«, sagte Doris schneidend.
»Das hat er die halbe Nacht getan«, erwiderte Paula leise.
Doris drehte sich abrupt zu Paula um und starrte ihr mit weit aufgerissenen Augen ins Gesicht. »Ich weiß, daß ihm etwas Gräßliches zugestoßen ist« flüsterte sie. »Ich spüre das. Max ist tot.«
»Aber nein, Doris, ich
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