Mordsmäßig fit
verzerrten sich zu einer Maske. »Polizeiarbeit habe ich mir ausgesucht. >Mörder< sagte ich. Hätte Pfarrerwerden sollen. So, wie meine Mutter es wollte. Dann gäbe es ein Gitter zwischen mir und den Frauenproblemen.« Bevor Dawn etwas erwidern konnte, sprach er weiter. »Ich habe Springs Leiche zu einem Gerichtsmediziner schicken lassen. Sie wissen, wir haben ein Leichenbeschauersystem in unserer Stadt. Unser Leichenbeschauer ist ein Politiker, der einen Dr. med. hat. Er kümmert sich um die 08/15-Autopsien. Manchmal weiß man nicht einmal, was für ein Doktor die Autopsie vornimmt. Wenn es überhaupt einer ist. Könnte auch ein Assistenzarzt sein. So finde ich vielleicht was heraus, was uns weiterhilft.«
»Wann werden Sie den Bericht haben?«
Er zuckte mit den Schultern. »Sie haben gesagt, sie sind sehr beschäftigt. Weniger als eine Woche.«
Dawn setzte sich wieder. »Ich kann Ihnen sagen, dieser Brief ist unheimlich.«
»Glauben Sie mir, nachdem, was Sie mir erzählt haben, brauchen Sie sich gar keine Sorgen zu machen.«
Er hatte leicht reden, dachte sie, als sie in ihren Honda stieg. Sie sah sich nach irgendwelchen Verfolgern um. Sie hatte schon lange nicht mehr soviel Zeit darauf verwandt, über ihre Schulter zu schauen, seit der verrückte Zack sich dazu entschlossen hatte, sie im Auge zu behalten. Sie hielt an einem Automaten, kaufte eine Zeitung. Fehler. Ein neuer Artikel über den »Todesclub«. Die Viererclique - zum Teufel mit ihr - hatte ihren Weg zur Dispatch -Miss DiNotello gefunden. Und sie gab ihr Bestes, SHAPE und sein Management wortreich zu verurteilen. »Man kann den Angstschweiß geradezu riechen«, schrieb sie. Die schmächtige Cynthia DeForrest hatte das von sich gegeben. Und noch viel Schlimmeres als das. Sie warf die Zeitung auf den Beifahrersitz und fuhr weiter zum Club. Letzte Nacht hatte sie nicht besonders gut geschlafen, war alle zwei Stunden aufgestanden und hatte auf die Straße geblickt und die Schlösser ihres Apartments überprüft. Zwischendurch, wenn ihre Angst in bloße Aufregung umgeschlagen war, dachte sie an die Drohung, an den Club und an den Monat voller schrecklicher Morde und Sorgen. Ihre kleine Plauderstunde mit Morgan hatte ihr Innerstes aufgewühlt. War die persönliche Drohung eine Finte? War es wirklich nur eine falsche Fährte, wie er versichert hatte? Oder war es die furchtbare Wahrheit? Wie sollte sie das wissen? Zweifel und Angst tauchten auf, hoben und senkten sich wie Ertrunkene im Strom, um auf makabre Weise auf sich aufmerksam zu machen. Letzte Nacht konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Heute war es auch nicht anders. Ihre Nerven waren so zerschlissen wie die Bibel der zum Tode Verurteilten. Es gelang ihr nicht, ihre Gedanken zu ordnen. Sie fand keine Strategie, den unbekannten Feinden von SHAPE, oder möglicherweise nur von ihr, zu begegnen. Als sie auf den Clubparkplatz fuhr, fühlte sie sich, als mache sie ihr Rettungsboot an einem sinkenden Schiff fest.
Auf dem Weg zum Büro musterte Dawn die paar Mitglieder und Angestellten, die an ihr vorbeigingen. Wer von euch will mich völlig vernichten? Dann dachte sie noch einmal darüber nach. Warum gerade diese Leute? Warum nicht andere? Außerhalb des Clubs. Leute, deren Motive unbekannt waren. Und darum noch furchterregender. Und überhaupt, warum mordeten sie? War das Ziel der Angriffe wirklich der Club? Oder war es Dawn selber? Ihr Kopf drehte sich vor Angst. Hinzu kam der fehlende Schlaf. Ihr war zum Heulen, aber sie schluckte die Tränen des Selbstmitleids hinunter. Sie wollte Peter erzählen, was passiert war. Er war wie immer zu spät dran. Sie war zu nervös, um herumsitzen zu können. Sie suchte Jeff. Er war nicht im Massagestudio. Auch Beth fand sie nirgendwo. Vielleicht hatte sich ihr heimlicher Verehrer zu erkennen gegeben, und sie schwammen woanders, in der See der Liebe. Sie stellte sich das eine Weile vor: Beth und ein Liebhaber. Ob es wohl Peter war? Peter, der den Club so dringend kaufen wollte, weil er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, daß sie eventuell ihre materielle Basis verlor? Peter, der den erniedrigenden Schritt gemacht hatte, seine Eltern um das Geld für den Kauf von SHAPE zu bitten? Falls er Hintergedanken hatte, welcher Art waren sie? Was nutzte ihm ein Club mit schwindender Mitgliederzahl und einer immer unsichereren finanziellen Zukunft? Nichts nutzte es ihm. Vielleicht gab es auf dem Grundstück Öl. Oder vielleicht wollte die Stadt eine Autobahn
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