Mordsmäßig fit
abfangen, trotz ihrer Ausweichmanöver. Sie brauchte einen Leibwächter.
Wem konnte sie trauen? Es lief auf zwei Personen hinaus: Karl und Jeff. Oder nur auf einen? Sie mußte sich eingestehen, daß ihr Verhältnis zu Jeff gespannt war. Zu ihrem großen Kummer war sie immer noch nicht sicher, ob er nicht vielleicht doch für ihre Schwierigkeiten mitverantwortlich war. Auch wenn Peters Beweggründe überzeugten. Karl auf der anderen Seite war dem Club treu und in gewissem Sinne auch ihr. Ihm konnte sie trauen. Sie würde ihm die Gründe für ihre Angst auseinandersetzen. Er konnte problemlos um sie herum sein, wenn sie im Club war. Er konnte den ganzen Tag bei ihr bleiben und sie am Abend nach Hause begleiten. Falls er mal verhindert war, blieb sie zu Hause. Dabei würde es bleiben, bis die Polizei Peter verhaftete. Ja, Karl war ein sicherer Tip. Sie traf ihn im Gewichte-Raum, auf der Bank liegend, die Gewichte aufgereiht wie Drops auf einem Stiel. Ein Kumpel von ihm lehnte sich über ihn, für den Fall, daß seine Arme plötzlich versagten. Sie wartete, bis die beiden fertig waren. Karl setzte sich auf, sein Gesicht hochrot. Schweiß verfärbte den Ausschnitt seines ärmellosen T-Shirts. Sie zog ihn beiseite, schlug ihm vor, ihr ständiger Leibwächter zu sein. Als er seine Stirn runzelte, kam ihr erst der Gedanke, daß er vielleicht ablehnen könnte.
»Wieso fragen Sie nicht Jeff?« brummte er. Seine hellgrauen Augen sahen sie eindringlich an.
»Jeff? Naja, ich... dachte, du bist der Fähigere.«
»Mir ist nicht entgangen, daß Sie und Mr. Schlaksig ziemlich dick miteinander sind.«
»Nicht so dick, wie du denkst, Karl.«
Er rückte näher. »Wenn jemand versucht, Ihnen ein Haar zu krümmen, ich bring ihn um!« Seine tiefe Stimme klang bedrohlicher als ein Schreien.
»Ich will nicht, daß du mich mißverstehst -«
Seine Arme, so dick wie ein Baumstamm, legten sich um sie. Er zog sie an sich. Noch bevor er sie küßte, verstand sie plötzlich seine beharrliche Loyalität und seine langen Stunden in SHAPE. Seine Hingabe galt nicht dem Club, sondern ihr! Sie drehte ihr Gesicht nicht so schnell weg, wie sie es hätte tun sollen. Vielleicht fühlte sie sich ja zu ihm hingezogen. Aber nicht genug. Sie löste sich aus seiner Umarmung und wiederholte ihre Bitte, die sie durch ihr Verhalten schon unglaubwürdig gemacht hatte.
»Versteh mich nicht falsch.« Sein heißer Blick verriet ihr das Gegenteil.
Dawn errötete. Ihm falsche Hoffnungen zu machen, war nicht ihre Absicht gewesen. Nicht einmal das leiseste Versprechen. Aber genau das hatte sie getan. Und es war unfair! Sie wollte kein »Versprechen« halten, was Karl anging. Sie konnte nichts dafür, daß sie ihn getäuscht hatte. Sie konnte einfach nicht klar denken. Sie hatte Angst. Als sie die Treppen hochstieg, wurde ihr bewußt, daß sie ihr Leben noch komplizierter gemacht hatte. Der Mann hatte sie aus der Ferne bewundert, Distanz gehalten, solange sie unbeschwert dahinsegelte. Entweder senkte die Angst ihre Ansprüche, oder ihre Meinung von ihm hatte sich geändert. Vielleicht brachte auch der Ärger ihr Leben auf eine simplere Ebene: sie, die Bedrohte; er der Loyale.
Karl war mehr als loyal. Sie müßte total naiv sein, um nicht zu sehen, daß er seine Liebe für sie bis jetzt für sich behalten hatte wie ein fanatischer Geizhals. Sie wurde blaß. Sie hatte sich mehr als nur Schutz eingebrockt. Sie hatte sich zusätzlichen Ärger an den Hals geholt. Nur, welcher Art? Und was hatte Karl damit zu tun? Von wegen beruhigt. Sie fühlte sich noch ängstlicher. Ein Netz war für sie ausgeworfen worden. Jetzt wurde es hochgehoben. Es zog sich zu. Falls sie oder die Polizei nicht schnellstens herausfanden, was vor sich ging, war sie rettungslos verloren. Sie würde vom Sog der tödlichen Gewalt fortgerissen und vernichtet werden.
Sie war so mit der wachsenden Bedrohung beschäftigt, daß sie beinahe mit Hector und Dinah zusammenstieß, als sie um die Ecke bog. Sie hörte den Rotschopf sagen: »Es tut mir wirklich leid. Kein Interesse. Sam ist er -« Sie schwieg, bis Dawn vorbei war. Dawn fing Hectors Blick auf, sah die alte Intensität hell aufleuchten. Sie war froh darüber, daß sein Blick absolut keinen Eindruck auf sie machte. Sicherlich hatten ihre Probleme etwas damit zu tun. Trotzdem versteckte sich mehr hinter ihrer Gelassenheit. Ihr Verstand hatte völlig verarbeitet, was er wirklich für sie fühlte: für alle Frauen fühlte. Sie waren nichts weiter als
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