Mordsonate
…«
»Und wie erklären Sie sich den Umstand, dass seit Ihrer Festnahme kein einziger Finger mehr aufgetaucht ist? Warum sollten nur drei von zehn hinterlegt werden?«
Weger riss die Hände von seinem Gesicht. »Wie soll ich das wissen? Ich habe damit nichts zu tun. Absolut nichts! Begreifen Sie das doch endlich. Die wollen mir das anhängen.«
»Ein Geständnis wird Ihnen helfen, glauben Sie mir. Und wenn Sie keines ablegen, reichen die Indizien aus.«
Da Hans Weger schwieg, sagte Mühlbauer: »Glauben Sie im Ernst, dass es für Ihr Kind leichter ist, sich auf den Wettbewerb zu konzentrieren, wenn Sie unter so einem Verdacht stehen? Ihre Familie haben Sie damit doch längst zerstört. Machen Sie sich nichts vor. Durch Ihr Leugnen wird alles nur schlimmer. Viel schlimmer!«
Hans Weger warf sich zuerst auf seinem Stuhl zurück, schlug dann wieder die Hände vors Gesicht und begann zu weinen. »Mein Anwalt«, sagte er schluchzend, »ich … warum ist denn der noch nicht … ihr steckt doch alle unter einer Decke! Ihr wollt mir das in die Schuhe … ich sage überhaupt nichts mehr, ohne Anwalt.«
Nach der Pressekonferenz, die infolge des Andrangs kurzfristig in ein größeres Lokal verlegt werden musste, berichteten Hörfunk und Fernsehen noch am selben Nachmittag und Abend ausgiebig über die sensationelle Neuigkeit im Mordfall Birgit Aberger. Ein Mädchen, das aussah wie eine Schülerin der sechsten Klasse, hatte, unübersehbar, die Schaumgummipyramide eines RADIOakkktiv-Mikrofons platziert, um mitzuschneiden, aber keine einzige eigene Frage gestellt.
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Am nächsten Tag war in allen Salzburger Blättern ungefähr dasselbe zu lesen:
MORDFALL ABERGER:
ENAG-DIREKTOR VERHAFTET
Sensationelle Entwicklung im Fall des ermordeten Klavierwunderkindes Birgit Aberger: Hans W., Vorstandsdirektor der ENAG, wurde wegen dringenden Tatverdachts in Untersuchungshaft genommen. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung
.
Als Motiv für den Mann dürfte übertriebener Ehrgeiz in Frage kommen. Seine Tochter unterlag der ermordeten Birgit Aberger in der Endausscheidung um die Teilnahme beim erstmals veranstalteten großen EU-Musiktalentewettbewerb. Die zehnjährige Anja W. wurde auf den zweiten Platz gereiht und soll nunmehr, nach dem grausamen Mord an der Ausscheidungssiegerin, von der mittlerweile drei Finger im Stadtgebiet von Salzburg aufgetaucht sind, an deren Stelle in Vilnius antreten
.
Obwohl ein Geständnis noch aussteht und auch die Leiche des Opfers noch nicht gefunden wurde, hat die Polizei handfeste Indizien gesammelt: Im Kastenwagen der Familie W. fanden die Kriminaltechniker eindeutige Spuren, dass das Mordopfer Birgit Aberger darin transportiert wurde. Auf Nachfrage nicht ausschließen will der leitende Beamte Dr. Laber, dass Herr W. bei der Tatausführung von Komplizen unterstützt wurde. Näheres dürfe derzeit nicht bekannt gegeben werden, um die weiteren Ermittlungen nicht zu gefährden
.
Im Festspieldkektorium, das zuletzt vehement darauf gedrungen hat, die Ermittlungen in dem tragischen Fall voranzutreiben und notfalls eine Sonderkommission einzusetzen, zeigt man sich angesichts der aktuellen Entwicklung erleichtert.Die Präsidentin: »Ich hoffe, dass der furchtbar tragische Fall nun bald vor Gericht kommt. Es ist verheerend, dass die Festspielstadt durch dieses entsetzliche Verbrechen in der letzten Woche auch international nicht mehr aus den Schlagzeilen gekommen ist.« Wenn sie an die makaberen Fingerfunde im Stadtgebiet denke, sei für die Präsidentin der Schaden für das Ansehen der Stadt unvorstellbar. Dagegen, so die Präsidentin wörtlich, sei der Vandalenakt mit den Lacktränen am Mozartdenkmal »ein Klacks« gewesen. »Ich bin jetzt sehr zuversichtlich, dass die Stadt bald wieder ganz der Schönheit und der Kunst und den Festspielen gewidmet sein wird.« Nicht zuletzt im anbrechenden Sommer, assistierte ihr der Chef des Tourismusverbandes, sei Salzburg doch einfach viel zu schön für so hässliche Vorkommnisse
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Der Sprecher der ENAG, Vorstandsdirektor Hans-Jörg Gutensohn, gab auf Anfrage bekannt, dass das Unternehmen sich zu dieser Causa nicht äußern wolle. Vorstandsdirektor H. W. sei selbstverständlich bis zur gerichtlichen Klärung der Vorwürfe suspendiert worden. Da wichtige Entscheidungen anstünden, würde die Firma noch vor dem endgültigen Gerichtsentscheid Ersatz für den Verdächtigten suchen müssen. Die Auswahl erfolge wie immer nach rein sachlichen Gesichtspunkten und einer
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