Mordsonate
sie dort hingestellt haben. Sie wollen wieder die uneingeschränkte Macht in Salzburg!«
Erich brummte etwas Unverständliches und stimmte zu, dass man Vorbereitungen für eine kleinere, lokal begrenzte Kampagne zu seinen Gunsten treffe. »Wir machen mit der Landeshauptfrau und Ihnen ein Foto, wo sie Sie beglückwünscht. Der Zeitpunkt ist jetzt ideal … die Journalisten brennen selber darauf, den Mann vorzustellen, der diesen Durchbruch erzielt hat.«
Zehn Minuten nach drei hatte Gerlinde schließlich doch noch eine Schlaftablette genommen. Als sie um halb zehn zerschlagen erwachte, war schon im nächsten Moment all das wieder übermächtig, was ihr die beiden vorangegangenen Nächte ihres Krankenstandes den Schlaf geraubt hatte, seit die Medien überquollen vor Berichten über die neueste Entwicklung im Mordfall Birgit Aberger.
Noch bevor sie sich Kamillentee und Zwieback zum Frühstück bereitete, rief sie ihre Vertretung in der ENAG an, um zu sagen, dass sie morgen wieder ins Büro kommen werde. »Ja, es geht aufwärts.«
Gerlinde Brunner hatte den Entschluss zur Selbstanzeige gefasst. Nachdem sich Hans’ Anwalt trotz der schwerwiegenden Indizien gegen seinen Mandanten bislang nicht wegen des Alibis gemeldet hatte, wollte sie nichts mehr riskieren und sich endlich von diesem Druck befreien. Ihr Geheimnis würde sowieso gelüftet werden, davon ging sie aus – mit einer Selbstanzeige käme sie noch am besten davon. Gleichzeitig bräuchte sie kein falsches Alibi zu liefern.
Gerlinde war sich bewusst, dass es danach mit ihrer Karriere in der ENAG vorbei wäre – oder würde sich der DI für sie ins Zeug legen? Aber sie müsste doch mit einer Anklage rechnen? Oder wäre alles verjährt? Sie hatte sich nur allgemein nach den Folgen einer Selbstanzeige erkundigt, war mit keinem Wort auf ihren speziellen Fall eingegangen, um nicht womöglich jemanden Verdacht schöpfen zu lassen.
Es war der Mozart-Klingelton, der Erichs Puls sofort auf Touren brachte, doch der Grund für Veras Anruf war diesmal leider ein dienstlicher: Anja sei heute nicht zur vereinbarten Stunde erschienen. Und Frau Weger könne sie telefonisch nicht erreichen. Sie habe ihr nun schon dreimal auf den Anrufbeantworter gesprochen und um Rückruf gebeten. »Hoffentlich ist da nichts passiert, Erich. Nach allem, was in den Zeitungen … das Mädchen ist sehr sensibel. Und für die Mutter muss das doch unerträglich sein. Ich habe ein sehr schlechtes Gefühl, Erich.«
»Vielleicht ist die Frau einfach mit dem Kind weggefahren, Vera. Das wäre nicht die schlechteste Idee – Distanz schaffen.«
»Aber da hätte sie … nein, bestimmt hätte sie Anja vorher abgemeldet. Ganz sicher, Erich. Sie weiß doch, wie eng es bei uns ist, mit den Stunden … und eine Doppelstunde umsonst warten, nein, Erich, das glaube ich nicht.«
»Vielleicht ist die Frau mit dem Kind zum Arzt gegangen, Vera. Wir haben ihr dringend zu psychologischer Unterstützung geraten, und die braucht das Mädchen auch. Denn aus ihrer Teilnahme am Wettbewerb wird unter diesen Umständen wohl nichts mehr werden?«
Vera seufzte. »Nein, leider, das fürchte ich auch. Es ist so schrecklich, zuerst die Familie Aberger, jetzt auch noch … Wer kann das nur wollen, wer nur?«
»Vielleicht hat Frau Weger in der ganzen Aufregung wirklich nur vergessen, Anja abzumelden. Ich werde jedenfalls sofort alles Nötige veranlassen.«
»Danke, Erich.«
»Ich habe zu danken, für deine schnelle Information. Ach ja, verstehe ich das richtig, dass du jetzt ohne Schülerin bist?«
»Ja. Es ist Anjas Doppelstunde. So kurzfristig kann ich niemanden einschieben. Ich versuche es für die zweite Stunde.«
»Falls es dir nichts ausmacht, schaue ich jetzt gleich bei dir vorbei.«
»Nein, das freut mich sehr, Erich.«
»Dann bis gleich, Vera.«
»Ich freue mich auf dich.«
Der Chefinspektor schickte Harlander und Koller zur Wohnung der Wegers, Mühlbauer ließ er schon eine allfällige Suche nach Anja vorbereiten. Er selbst sei im Mozarteum. Am Handy immer erreichbar.
Wie schon gestern, schwankte Gerlinde wieder zwischen der Freude, ihr schlechtes Gewissen endlich erleichtern zu können, und Niedergeschlagenheit, wenn sie sich vorstellte, dass damit alle anderen, die in dieser Angelegenheit schuldig geworden waren, wahrscheinlich ohne Strafedavonkämen. Es würde niemand mehr ausfindig zu machen sein, der die Polizisten angewiesen hatte, auf eine Alkoholkontrolle am Unfallort zu verzichten. Vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher