Mordsonate
irgendwie hinbekommen haben. Ich habe damals täglich stundenlang Schlagzeug geübt, bei uns daheim, im Holzschuppen. Heute wundere ich mich selbst, dass ich trotzdem durch die Matura gekommen bin.« Und danach kein Theologiestudium! »Aus meiner Klasse hat sich nur ein Einziger dafür entschieden. Heute ist er verheiratet und Biologielehrer.«
Es sprudelte nur so heraus aus Erich – er sprang vor und zurück in seiner Biografie, als würde er alles auf einmal erzählen wollen. Auch Vera unterschlug er die Hintergründe seiner Beförderung nicht; ohne ihr zu verheimlichen, dass er schon in so kurzer Zeit Gefallen gefunden hatte an den Gestaltungsmöglichkeiten eines Chefinspektors. Und das, wo er in Linz für den Spruch bekannt gewesen war, dass ein Erich Laber nicht von Statzing nach Linz gekommen sei, um dort Speichel zu lecken. Und schon gar nicht den eines Innenministers. Deshalb sei er genau zu diesem Zeitpunkt in die dem Minister verhasste Partei eingetreten, obwohl er Jahre zuvor gerade mit diesem Parteibuch eineglänzende Polizeikarriere hätte machen können. »So abgefeimt läuft das in der Politik. Die Landeshauptfrau, der man zuvor alle Wünsche für höhere Positionen im Polizeidienst abgeschmettert hatte, soll mit dem Dr. Laber in Wahrheit nicht einen Parteifreund genehmigt bekommen haben, sondern ihr sollte ein oberösterreichischer Sturschädel und Quergeist ins Nest gesetzt werden. Versehen mit der hinterfotzigen Begründung, dass ihr mit diesem Dr. Laber ein ganz besonders aufrechter Sozialdemokrat zugestanden werde, der immerhin das Kunststück zuwege gebracht habe, zu einem Zeitpunkt in die Partei einzutreten, als man im Polizeidienst mit diesem Parteibuch vom damaligen Innenminister geteert und gefedert wurde, ehe er einem den Tritt in den Hintern verpasste.« Erich musste sich zurückhalten, um sich nicht wieder über die Skrupellosigkeit dieses Ministers zu ereifern. Also schloss er mit der Feststellung, dass in diesen Jahren in Österreich Politik durch Zynismus, kriminelle Rücksichtslosigkeit und rabiaten Dilettantismus ersetzt worden sei, an deren Langzeitschäden das Land und seine Menschen noch lange zu tragen haben würden, griff nach seinem Glas, und sie stießen an. Sie müsse gestehen, bekannte Vera lachend, dass ihr all das aus Bayern einigermaßen vertraut sei.
Dabei, sprang er wieder in seine Kindheit zurück, wäre er wohl nie von Statzing nach Linz ins Gymnasium gekommen, wenn der damalige Pfarrer seinen Ministranten Erich nicht so ins Herz geschlossen hätte. Der Pfarrer, ein verschmitzter kleiner Mann mit einer ausgeprägten Vorliebe für hochprozentige alkoholische Getränke, der selber in einer elenden Keusche im Waldviertel aufgewachsen war, hatte Erichs Eltern dringend empfohlen, den Buben nach der Volksschule ins Gymnasium übertreten zu lassen, nicht ohne dem Ehepaar Laber zu versichern, dass Erichdeswegen noch lange nicht Pfarrer werden müsse. Doch die Familie Laber sollte allenfalls ruhig die Kirche bei Erichs Ausbildung mithelfen lassen. Das sei nämlich bestimmt Gottes Wille, habe der Mann nach einem weiteren Stamperl Birnenschnaps gemeint. Schließlich schenke der liebe Gott doch nicht einem Mühlviertler Wegmacher einen so gescheiten Buben, ohne sich dabei etwas zu denken.
Erichs Vater stammte aus dem oberen Mühlviertel, nahe der tschechischen Grenze. »Eines der vielen talentierten Unterschichtkinder, die zu seiner Zeit von den Begüterten erfolgreich von höherer Schulbildung ferngehalten worden waren, um dann auch noch den ganzen Zweiten Weltkrieg hindurch von einem Frontabschnitt an den nächsten geschickt zu werden, das klassische Kanonenfutter. Meine Mutter hat in Statzing ein kleines Grundstück geerbt, auf das mein Vater später eine vom Staat billig erworbene ausrangierte Straßenbaubaracke aufgestellt und nach und nach selber zu einem kleinen, schlauchförmigen Häuschen ausgebaut hat, in dem man immer durch ein Zimmer durchgehen musste, um zum nächsten zu gelangen, da es keinen Gang und nur eine einzige Haustür gab.« Ein paar Hühner, Hasen und zwei Ziegen seien sich auch noch ausgegangen, erzählte Erich, und hätten neben einem großen Gemüsegarten ganz wesentlich zur Versorgung der vierköpfigen Familie beigetragen. »Hunger haben wir nie gelitten.« Die Straßenmeisterei habe ihre so genannten Wegräumer zwar nicht gut bezahlt, aber im Bewusstsein der Menschen handelte es sich dabei um einen Staatsposten. Und genau solche als sicher
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