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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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empfundenen Stellen seien die wirklich erstrebenswerten für die Generation von Erichs Eltern gewesen, die als Kinder noch die Arbeitslosigkeit ihrer Eltern während der Zwischenkriegszeit durchlitten hatten und bereit waren, nahezu jeden Nachteil in Kauf zunehmen, wenn er nur mit einem
Staatsposten
verbunden war. »Vielleicht war es ja wirklich dieses Klima der ständigen unterschwelligen Existenzangst, in dem wir alle aufgewachsen sind, das mich letztlich davon abgehalten hat, es als Rockmusiker zu versuchen. Ja, nicht einmal das Wagnis eines selbstständigen Strafverteidigers einzugehen, sondern nach Jusstudium, Bundesheer und Gerichtsjahr in den sicheren Polizeidienst einzutreten.« Er lachte und hob das Glas: »Und das, obwohl ich unter Kollegen in Linz als jemand gegolten habe, der sich überhaupt nichts pfeift. Nur weil ich so lange nicht die geringsten Anstrengungen unternommen habe, in der Hierarchie höher aufzusteigen, als bei meinem Ausbildungsstand unvermeidlich war.«
    Vera könne sich jedenfalls kaum vorstellen, wie groß die Freude gewesen sei, die er seinen Eltern mit seiner Berufswahl letztlich bereitet habe, denn natürlich habe er ihnen über Jahre hinweg das Leben schwer gemacht mit der Ankündigung, nach der Matura sofort mit seiner Band auf Welttournee zu gehen. Oder spätestens nach Abschluss seines Studiums als Schlagzeuger das Weite zu suchen.
    Erich hielt inne, da er Vera am liebsten auch noch die Geschichte von Babsi erzählt hätte. Aber er sah, dass Vera müde war, und so teilte er den Rest der letzten Flasche Wein zwischen ihnen auf und sagte mit einem wie bestellten Gähnen: »So, jetzt hat dich der Laber vollgelabert … und du bist überhaupt nicht zu Wort gekommen … eine raffinierte Ermittlertaktik.«
    »Ja? Wirklich?«
    »Denn so muss es baldmöglichst zu einer weiteren Einvernahme kommen.«
    Sie lachten und tranken aus.
    Bei der Verabschiedung vor dem Lokal drängte sich die Frau fast unmerklich an Erich, und er drückte ihreinen leichten Kuss auf die Wange, worauf sie mit gesenktem Kopf schnell sagte, dass sie sich schon sehr auf ihre nächste Begegnung freue, wirklich sehr, denn heute sei sie zum Umfallen müde. »Es war so eine gute Idee von dir, Erich, dieses Essen spontan zu verabreden, nach all dem, was passiert ist … es hat mir unendlich gut getan, diesen Abend nicht daran denken zu müssen. Ich freue mich schon sehr auf das nächste Mal.«
    Er drückte sie noch einmal an sich, und sie gab ihm nun auch einen Kuss auf die Wange.
    Albin Egger sah es früher als seine Frau, aber der pensionierte Magistratsbeamte reagierte zu spät. Gerade, als er sie von dem Anblick ablenken und wegziehen wollte, da er doch wusste, wie empfindlich Marianne war – obwohl man fülligeren Menschen oft größere Nervenstärke zuschrieb –, erblickte auch sie dieses wachsfarbene, leicht verschrumpelte Fleischstück auf der obersten Stufe zum Eingang des Landestheaters, das ihr Mann im allerersten Moment für ein Requisit gehalten hatte. Und unmittelbar darauf sank sie auch schon in Albins Arme. Der hagere Achtundsiebzigjährige hatte Mühe, seine korpulente Frau aufzufangen, ohne dabei das Gleichgewicht zu verlieren. Er schleifte die Ohnmächtige danach ein paar Schritte zur Seite, wo er sie vorsichtig zu Boden gleiten ließ. Er bettete ihren Kopf auf sein zusammengerolltes Sakko und öffnete die obersten Knöpfe ihrer Bluse, um ihr das Atmen zu erleichtern. Als er sich Hilfe suchend umsah, schlug Marianne ihre Augen schon wieder auf und starrte Albin wortlos an.
    Einmal im Monat hätten sie mit alten Freunden diesen geselligen Abend, da würden sie auch in ihrem Alter noch ordentlich über die Stränge schlagen. Tarock, Brötchen,Sekt, Wein. Marianne und er, erzählte der Mann, bräuchten kein Auto, um nach Hause zu kommen, nicht einmal ein Taxi; sie seien dankbar, es immer noch gut zu Fuß zu schaffen. Ihr Weg führe sie dann jedes Mal am Landestheater vorbei, in etwa um diese Zeit, halb zwei, zwei Uhr früh – aber wer rechne denn mit so etwas? »Was ist denn das nur für eine Zeit? Heutzutage.«
    Erich kämpfte gegen die Müdigkeit. Er hatte kaum eine Stunde geschlafen, nach diesem wunderbaren Abend mit Vera Stelzmann, als ihn der Anruf wieder geweckt hatte. Die Spurensicherung war hier klarerweise auf verlorenem Posten. Die Kollegen, unausgeschlafen wie Erich, machten ihm das sogleich deutlich.
    Der gepflegte Pensionist, der dem leitenden Beamten als ehemals leitender Beamter auf

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