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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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Augenhöhe begegnete und beim Sprechen dynamisch nach vor und zurück wippte, erweckte einen geradezu geschäftigen Eindruck; fast hätte man meinen können, der Mann fühle sich durch den Vorfall irgendwie wieder in Dienst genommen. Nein, natürlich hätten sie sonst nichts beobachtet, was mit dem Fund in Zusammenhang stehen könnte. »Überhaupt nichts Verdächtiges aufgefallen, Herr Doktor.«
    Erich wollte die beiden Alten nach Hause bringen lassen, doch der Mann – »Albin Egger, aber ohne Lienz, wenn Sie verstehen, was ich meine« – wirkte von all dem, was sein grauenvoller Fund an behördlichen Aktivitäten ausgelöst hatte, erfrischt. Auch seine Frau zeigte keine Müdigkeit, nachdem sie sich von dem Schock erholt hatte, den der Anblick eines abgetrennten Kinderdaumens ausgelöst hatte. So umwuselt von all den Menschen, die hier im Licht von Scheinwerfern ihre Arbeit taten, schien das Ehepaar Egger das Geschehen mittlerweile als aufregende Fortsetzung ihres geselligen Abends zu erleben. »Wir schlafenda schon immer ein bisschen vor«, erzählte die Frau nun leutselig, »wenn wir unseren Tarockabend haben.« Und ihr Mann ergänzte: »Wir stehen Ihnen natürlich so lange zur Verfügung, wie Sie uns noch brauchen.« Keine Frage, sie beide kämen zu jedem gewünschten Termin für das Protokoll in die Alpenstraße, das sei doch selbstverständlich für einen langjährigen Magistratsbeamten wie ihn, der sich in Amtsgebäuden noch immer zu Hause fühle.
    Erich war schlecht gelaunt, und es kostete ihn einige Mühe, diese Stimmung vor dem Ehepaar zu verbergen. Der Chefinspektor musste unentwegt daran denken, dass dieses üble Spiel jetzt so lange weitergehen werde, wie er befürchtet hatte: Bis alle zehn Finger gefunden wären! Hoffentlich ergäbe sich dann daraus zumindest ein Anhaltspunkt für die Ermittlungen.

3
    Nach dem sehr kurzen Schlaf dieser Nacht fühlte Erich sich zerschlagen und litt unter starken Kopfschmerzen. Er hatte zu Hause drei Espressi getrunken, ein Aspirin geschluckt und war im Büro noch nicht dazu gekommen, etwas zu frühstücken. Obendrein war er sich nicht sicher, daheim die Maschine ausgeschaltet zu haben – und der Gedanke an diese Nebensächlichkeit drängte sich immer wieder in den Vordergrund, obwohl ihn doch ganz andere Fragen beschäftigten.
    Auch wenn er noch nichts im Magen hatte, verspürte er keinen Appetit, wusste jedoch aus Erfahrung, dass es für seine Nerven besser gewesen wäre, endlich etwas zu essen, zumal seine Unruhe ständig zunahm.
    Während seines Berichts hatte ihn Oberst Bermadinger unablässig mit diesem Blick fixiert, der die Last der großen Verantwortung ausdrückte, die ihm seine Position auferlegte. Und der noch immer misslaunige Dr. Laber dachte gehässig, dass der Oberst mit diesem Blick ohne Zweifel gerade noch mit seiner Parteifreundin, der Innenministerin, beisammen gesessen war.
    Auch wenn natürlich noch kein Untersuchungsergebnis vorlag, konnte es keinen Zweifel daran geben, dass der Daumen von der rechten Hand der toten Birgit Aberger stammte.
    »Ja, jetzt müssen Sie die Eltern informieren«, wiederholte der Oberst Erichs Vorschlag so, als sei er von ihm gekommen, um noch anzufügen: »Das duldet jetzt keinen Aufschub mehr. Krisenintervention ist o.k. – Wir dürfen nämlich auch die Kosten nicht aus dem Blick verlieren. Die Ministerin hat mir diesbezüglich gerade wieder einiges vorgegeben. Und achten Sie unbedingt auf die Kleidung Ihrer Mitarbeiter.« Die Innenministerin lege nämlich großen Wert darauf, dass die tipptopp sei. »Die Menschen draußen achten darauf.« Und immer wieder stoße sie bei Besuchen in den Dienststellen auf unmögliche Adjustierung bei der Zivilkleidung.
    Erich nickte mit abwesendem Blick. Obwohl er sich heute viel zu schlapp fühlte, um das Verhalten seines neuen Vorgesetzten eingehend zu analysieren – eine Angewohnheit, die er, nunmehr selbst zum Vorgesetzten aufgestiegen, wohl nicht so schnell ablegen würde –, entging ihm dennoch nicht, mit wie viel Bravour es der Leiter des Landeskriminalamts vermied, irgendetwas von sich zu geben, auf das er später womöglich zu seinem Nachteil festgelegt werden könnte. Als der Chefinspektor die Frage nach den Medien ansprach – ob man die noch etwas heraushaltenkönne, um den Täter dadurch eventuell aus der Reserve zu locken und zu einem Fehler zu verleiten –, sah Oberst Bermadinger den Chefinspektor durchdringend an, um nach einer Weile angestrengten Nachdenkens

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