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Mordspech (German Edition)

Mordspech (German Edition)

Titel: Mordspech (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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einzige Möglichkeit.«
    Immerhin. Auf Melanie wurde nie gezielt. Das ist schon mal die halbe Miete. Ich bin erleichtert.
    Aber wen wollte der Schütze dann treffen? Wirklich den Fahrradkurier? Wenn er von links kam, muss er hinter der Ecke des Hauses an der Martin-Luther-Straße hervorgekommen sein. Doch schon fünf, sechs Meter weiter sind die Bäume im Weg. Zudem stört der Verkehr auf der Martin-Luther-Straße. Immer wieder fahren Doppeldeckerbusse durchs Bild. Das haut doch nicht hin! Nur wenn dieser Fahrradbote mit der Präzision eines Uhrwerks unterwegs gewesen wäre, wenn er jeden Morgen exakt zur selben Zeit hinter der Hausecke hervorgeradelt käme, um keine Sekunde später wieder hinter den Bäumen am Straßenrand zu verschwinden, hätte der Schütze die Möglichkeit zu einem gezielten Treffer gehabt. Vorausgesetzt, der Verkehr auf der Kreuzung käme im selben Moment komplett zum Erliegen und kein Bus im Bild, kein Lkw, nichts. Mit anderen Worten: Um den Fahrradkurier auf diese Distanz gezielt ermorden zu können, hätte es jede Menge begünstigender Voraussetzungen – man kann auch sagen, Zufälle – geben müssen. Doch welcher Profi verlässt sich auf Zufälle?
    »Du hattest recht.«
    »Immer.« Hünerbein steckt sich eine Roth-Händle an und tritt neben mich. »Womit hatte ich denn recht?«
    »Der Fahrradkurier war nicht das Ziel. Unser Schütze muss etwas anderes im Visier gehabt haben.« Konzentriert schaue ich durch das Fernglas. Zwischen den Bäumen am Straßenrand und dem Eckhaus an der Martin-Luther-Straße steht ein Fenster im Parterre der Belziger 75 offen. Es gehört zu Kawelkas Büro. Deutlich kann ich das grüne Telefon auf dem Schreibtisch des Lokalreporters sehen. Kann es sein, dass der alte Fritz Kawelka auf der Abschussliste unseres Täters stand?
    »Harry«, ich gebe ihm das Fernglas zurück, »ich glaube, wir sollten uns da unten noch mal umsehen.«
    Wenig später stehen wir vor Kawelkas kleiner Ladenwohnung und klingeln.
    Aber der Reporter öffnet nicht. Merkwürdig. Durch das geöffnete Fenster draußen kann jeder einsteigen. Fritz Kawelka hätte es geschlossen, bevor er den Laden verlässt. Der lässt normalerweise sogar die Jalousien runter, wenn er aus dem Haus geht.
    »Hier ist was faul«, findet auch Hünerbein, und wir gehen wieder auf die Straße.
    »Herr Kawelka«, rufe ich durchs offene Fenster hinein. »Herr Kawelka, sind Sie da?«
    Keine Antwort.
    »Ich schau mal nach.«
    Hünerbein raucht schon wieder und sieht zu, wie ich über die Fensterbank in Kawelkas Büro steige.
    Nichts deutet auf etwas Ungewöhnliches hin. Der Computer ist eingeschaltet, offenbar schrieb der Reporter gerade an irgendeinem Artikel, bevor er … – Ja was? – … Zigaretten holen ging? Dann müsste er gleich zurück sein.
    Ich gehe in den kleinen Flur, der das Büro von der Küche und der Wohnungstür trennt. Auch hier ist nichts.
    In der Küche steht eine angefangene Tasse Kaffee, er ist längst kalt. Eine Morgenpost liegt aufgeschlagen auf dem Tisch, der Lokalteil, für den auch Kawelka schreibt.
    Ich öffne die Tür zur Speisekammer. Hier stehen zwei Kästen Bier, einer mit leeren Flaschen, der andere noch halb voll, und ein Kühlschrank, in dem vor allem Kodak-Filme lagern. Das hat er mir mal im Hausflur erzählt. Dass man Farbfilme kühl lagern soll, dann halten sie besser. Ich hatte ihm von Monikas neuer Digitalkamera vorgeschwärmt, doch Kawelka wollte davon nichts hören. Die besten Fotos mache man immer noch analog.
    Ich verlasse die kleine Küche wieder und bemerke erst jetzt eine weitere schmale Tür, wie für eine Kammer. Wahrscheinlich das Klo. Kurzerhand ziehe ich sie auf.
    Kawelka hockt auf den Knien, den Kopf hat er über der Toilettenschüssel, als müsse er sich übergeben.
    Doch da kommt nichts mehr.
    Kawelka ist tot.
    Stranguliert. Vermutlich mit einer feinen, aber sehr festen Schlinge. Sie hat tiefe und blutige Spuren im Hals des Reporters hinterlassen.

10   » DRAHT «, stellt Dr. Hubertus Graber, unser Rechtsmediziner, eine knappe Stunde später fest. »Der Mann wurde mit Draht erdrosselt, höchstens einen Millimeter stark.«
    Wir stehen vor dem Haus, denn Damaschke hat mit seinen Spurensicherern die Wohnung noch nicht freigegeben. Lediglich Graber durfte schon mal ein Auge auf die Leiche werfen. Inzwischen ist es dunkel geworden, es regnet wieder leicht, und das blinkende Blaulicht der Streifenwagen spiegelt sich auf dem nassen Asphalt.
    »Hat er sich

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