Mordspech (German Edition)
Killerin aus.«
»Wie sieht denn Ihrer Meinung nach eine Killerin aus?« Palitzsch hebt schon wieder den Zeigefinger. »Wie Ulrike Meinhof? Oder doch eher wie Gudrun Ensslin? Sah Susanne Albrecht wie eine Terroristin aus? Oder Brigitte Mohnhaupt? Das waren doch alles recht hübsche Mädels, oder? Die hätten wir uns alle eher auf Frühlingswiesen beim Schmetterlinge-Fangen vorgestellt. – Apropos Terror: Prüfen Sie mal die Kontakte dieses Kawelka. Vielleicht war der ja auch mal linksextrem aktiv. – Meine Herren!« Er verabschiedet sich.
»Sicher doch.« Ich sehe ihm nach. »Das Böse kommt immer von links.«
»Nichts.« Jürgen Damaschke stapft niedergeschlagen in seinem weißen Ganzkörperoverall heran. »Da ist absolut nichts.«
»Keine Spuren?«
»Spuren gibt’s immer.« Er setzt sich die Kapuze ab. »Nur nicht von unserem Täter. Wer auch immer den Reporter erdrosselt hat, er war sehr gründlich. Zumindest auf den ersten Blick hat er nichts hinterlassen. Nicht mal ein Haar haben wir gefunden, keine Hautfetzen, von Fingerabdrücken ganz zu schweigen.«
»Und auf den zweiten Blick?«
»Da fragt mich morgen noch mal. Bis dann!« Er stiefelt von dannen.
Ich rufe ihm nach: »Können wir jetzt rein?«
»Ja, bitte«, er macht eine Geste, ohne sich umzusehen, »nur zu, macht euren Job! Ich bin fertig da drin.«
Wir wollen den Hausflur betreten, müssen aber erst den Leichenwagenfahrern Platz machen, die eben den grauen Plastiksarg mit dem toten Kawelka heraustragen. Dann schieben wir uns an den neugierig guckenden Hausbewohnern vorbei in die Ladenwohnung des Journalisten. Sie sieht noch immer aus, als habe ihr Bewohner sie nur kurz zum Zigarettenholen verlassen. Nur im Flur und dem Klo sieht man die Arbeit der Spurensicherer. Schwarzes Pulver an den Wänden, teilweise haben sie eine Flüssigkeit versprüht, die mit Hilfe von ultraviolettem Licht kleinste Zellpartikel sichtbar machen kann. Schuppen von Haaren etwa, feine Hautabschürfungen, Blutspuren und Schweiß.
In der Küche liegt noch immer die Morgenpost aufgeschlagen neben der Tasse mit kaltem Kaffee.
Im Büro surrt der Computer. Er hat sich selbsttätig in einen stromsparenden Stand-by-Modus geschaltet, springt aber sofort wieder an, sobald man nur die Maus bewegt.
Früher, als ich noch in diesem Haus wohnte, hat mir Kawelka oft erzählt, dass er gerne mal investigativ tätig gewesen wäre, einer von den ganz großen Journalisten, die Skandale aufdecken und Staatsaffären auslösen. Aber nun sei er zu alt und das Kiezleben aufregend genug.
Hat er sich auf seine alten Tage vielleicht doch noch mal an die ganz große Story gewagt? Und ist er dabei jemandem auf die Füße getreten?
Ich setze mich an seinen Schreibtisch, studiere den Text, an dem er gerade arbeitete. Es geht um eine Debatte der Bezirksverordnetenversammlung zur Umgestaltung des Heinrich-Lassen-Parks. Ein anderer Artikel setzt sich kritisch mit den Vergabekriterien der öffentlichen Hand bei der Sanierung des U-Bahnhofs Rathaus Schöneberg auseinander, aber bringt man deshalb jemanden um?
Und wer war die Frau, die den Kawelka zurück in seine Wohnung brachte? – Die gesuchte Killerin?
»Sie hatte einen City Bag«, sage ich laut.
»Wie bitte?« Hünerbein studiert Kawelkas Tischkalender und sieht fragend auf.
»Die Frau, meine ich. Die trug so einen kleinen Rucksack. Daran erinnere ich mich.«
»Farbe?«
»Braun.« Ich überlege. »So schwarz-braun, unauffällig.«
»Mhm.« Hünerbein wendet sich wieder dem Kalender zu. »Sagt dir ›Four Roses‹ etwas?«
»Klar.« Ich zeige auf eine halb volle Flasche, die neben Kawelkas Computermonitor steht. »Das ist ein Bourbon. Kann man trinken, vor allem den Black Label.«
»Du meinst, der hat in seinem Kalender notiert, wann er wieder einen Schluck aus der Pulle nehmen darf?«
»Steht das da drin?«
»Ja.« Hünerbein zeigt es mir. Es gibt nur einen Termin für den heutigen Tag in Kawelkas Kalender: »Four Roses, elf Uhr«.
»Bisschen früh fürn Drink, oder?«
»Nicht um elf Uhr abends.«
Trotzdem scheint es mir absurd. Ich gucke doch nicht in meinen Kalender, wann ich saufen darf. »Moment mal: ›Four Roses‹ … Hieß Daisys Laden nicht so?«
»Du meinst den Puff?«
»In der Albertstraße.« Jedenfalls hat der vier kunstvolle Rosen auf den stets geschlossenen Jalousien.
Hünerbein sieht auf die Uhr. »Du, das schaffen wir noch. Los, komm!«
11 EIN WOLKENBRUCH ergoss sich über die Stadt. Das Wasser gurgelte
Weitere Kostenlose Bücher