Mordsschnellweg: Kriminalstorys
Präsidenten?«
Frau Kirsch sah ihn an, als wüsste Lohkamp nicht, was eine Wasserspülung ist: »Hans Wolke.«
»Wann haben Sie ihn gefunden?«
»Weiß nicht. Kurz bevor ich Sie angerufen habe.«
»Vor einer halben Stunde also«, konstatierte Lohkamp. »Haben Sie irgendetwas angefasst?«
»Nein.«
»War sonst noch jemand hier?«, schaltete sich die Oberkommissarin ein.
»Alle. Herr Rubljow vom Aufsichtsrat. Trainer und Manager. Die Gattin des Chefs … Aber als ich ihn fand, war ich allein mit ihm.«
»Weiß außer Ihnen jemand, dass Herr Wolke tot ist?«
»Nein«, sagte die Kirsch. »Ich habe sofort die 110 angerufen.«
Sie zeigte in ihr Büro. Ihr eigener Schreibtisch war wesentlich kleiner und voller als der des Toten: »Ich habe da gesessen, die Tür offen, und geheult. Bis Sie gekommen sind.«
»Wann haben Sie Ihren Chef zum letzten Mal lebend gesehen, Frau Kirsch?«
Sie wusste es nicht.
»Überlegen Sie mal«, sagte die Langer warm.
»Vor … ungefähr vor einer Stunde. Bei mir im Vorzimmer. Als ich gerade vom Einkaufen wiederkam.«
»Und was haben Sie geholt?«, fragte Lohkamp. »Den Heringssalat?«
Jetzt wirkte die Sekretärin beinahe empört: »Nein. Für den Chef mache ich den immer selbst.«
»Immer?«
»Ja. Mein Heringssalat ist im ganzen Verein berühmt. Altes westfälisches Rezept.«
»Wunderbar. Und was haben Sie dann gekauft?«
»Sekt. Wir haben morgen einen Vertragsabschluss. Und als ich zurückkam, stand Herr Wolke gerade am Kühlschrank und holte sich seinen Imbiss heraus …«
»Wäre das nicht Ihre Aufgabe gewesen?«, klinkte die Langer sich wieder ein. »Ihm den Teller ins Büro zu bringen?«
Sie schluchzte: »Ja. Tu ich sonst ja auch. Jeden Mittag um eins. Aber heute war die Schlange an der Kasse so lang, dass …«
»Verstehe«, sagte Langer und trat ein paar Schritte vor. Sah sich den Toten aus der Nähe an. Beugte sich schließlich über den Teller und sah überrascht auf: »Chef, der Heringssalat stinkt.«
»Wie bitte?«, fuhr die Kirsch auf. »Mein Heringssalat stinkt nicht!«
»Heringssalat stinkt immer.«
»Nein. Meiner duftet!«
»Er stinkt«, beharrte die Polizistin. »Und außerdem …«
»Ja?«, fragte Lohkamp.
»Der Tote hat Schaum vor dem Mund, Chef.«
»Und – was heißt das?«, stammelte die Sekretärin.
»Herr Wolke wurde vergiftet, Frau Kirsch. Allem Anschein nach mit Ihrem Heringssalat.«
»Nein, unmöglich!«
Lohkamp legte der Sekretärin die Hand auf die Schulter: »Haben Sie Gift in den Heringssalat gerührt?«
Die Kirsch suchte nach Worten, fand aber keine. Lohkamp begriff und sagte: »Ich glaube Ihnen. Aber wer hätte einen Grund für die Tat?«
Die Frau zierte sich noch ein wenig, aber dann lieferte sie den ersten brauchbaren Hinweis: »Letzten Samstag, nach der Niederlage gegen Bochum. Da hat der Chef den Bas angebrüllt.«
Sie sah Lohkamps fragenden Blick und reagierte sofort: »Bas van Twente. Den Trainer. Also, Herr Wolke hat ihm angedroht, er würde ihn jetzt feuern. Das wäre van Twentes dritter Rausschmiss in vier oder fünf Jahren. Er wäre out gewesen.«
»Und wie ernst war die Drohung gemeint?«
Die Langer seufzte: »Chef, Schalke steht auf dem achten Platz. Hinter Dortmund. Es sind nur noch drei Spiele. Die internationalen Wettbewerbe können die Königsblauen sich jetzt abschminken. Haben Sie eine Ahnung, was das für den Verein bedeutet?«
2
Was das bedeutete, wusste selbst Lohkamp. Nur Trainer Bas van Twente schien sich darüber keinen Kopf zu machen. Nach einem Anruf auf sein Handy fanden sie den Graukopf ein paar Kilometer weiter im Restaurant von Schloss Horst. Der Mann saß an einem Fenster und sah den Brautpaaren nach, die sich gerade in dem berühmten Renaissanceschloss das Jawort gegeben hatten.
»Kriminalpolizei. Martina Langer. Und das ist mein Chef, Hauptkommissar Lohkamp!«
Vor dem Trainer stand ein fast leeres Kognakglas, und die feuchten Ringe in der Tischdecke verrieten, dass es nicht das erste war.
»Um was geht es denn?«, fragte van Twente und deutete unwirsch auf die freien Stühle.
»Ihr Boss ist tot!«
»Wolke?«
»Ermordet. Vor einer guten Stunde.«
»Ach du Scheiße …«
Ein junger Kellner mit einem unglaublich arroganten Zug um den Mund schwebte heran. Als die Polizisten zwei Fläschchen Wasser bestellten, verwandelte sich der Hochmut in Verachtung. Für den Rückweg zum Tresen brauchte er fast doppelt so lange wie für die Anreise.
Martina Langer beugte sich vor:
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