Mordsviecher
Holztisch mit Bier und Schmalzbroten. Deshalb fragte sie recht unvermittelt: »Was sagt Ihnen Krün?«
»Die Perle des Karwendels?«
Er war nicht so leicht zu erschüttern. Irmi wartete.
»Wenn Sie auf Stowasser abheben, so weiß ich, dass er da ein Grundstück hat, und ich nehme an, dass die Daunen aus den Qualzuchthöfen da angeliefert werden. Ich war zweimal mit Tina Bruckmann vor Ort. Es gibt hohe Tore, Hecken, Mauern und viel Strom, der eifrige Kraxler abhält.«
»Sie waren also nie drin?«
»Nein, wie denn auch?«
Er schien wirklich nicht zu wissen, was für ein unsagbares Tierelend da verborgen gewesen war.
»Sie hätten sich einfach vors Tor stellen können!«, rief Kathi. »Wir sind doch nicht blöd.«
»Sie sind sicher auch nicht blöd, junge Frau. Sie sind attraktiv und klug, und deshalb denken Sie bitte nach: Ich baue mich also vor dem Tor auf. Oder ich baue mich mit mehreren meiner Mitglieder vor dem Tor auf. Was passiert dann? Stowasser fährt mitnichten jemand über den Haufen oder lässt sich provozieren. Dazu ist er viel zu clever. Wenn, dann ruft so einer die Polizei und den Landrat gleich dazu, wahrscheinlich auch den Ministerpräsidenten. Die einzige Chance, das Gelände zu betreten, wäre illegal gewesen. Ich habe auch mit dem Gedanken gespielt, einfach loszurennen. Aber er hat das geschickt gelöst. Er fährt mit quietschenden Reifen durch das erste Tor, das sich sofort wieder schließt. Dann fährt er durch das zweite. Selbst wenn es jemandem gelänge, durch das erste Tor zu kommen, wäre er anschließend zwischen den beiden Mauerringen gefangen. Das ist so ähnlich wie die Zugbrücke einer mittelalterlichen Festung, nur moderner.«
Umso ungewöhnlicher war es, dass dieses Mal das Tor offen gestanden hatte, dachte Irmi. Sie hatten im Herrenhandtäschchen den Türöffner gefunden – warum hatte Stowasser nicht wieder zugemacht?
»Sonst ist Ihnen in Krün nichts aufgefallen?«, hakte sie nach.
»Hundegebell, wenn Sie das meinen. Wachhunde, nehme ich an. Auch ich lass mich ungern von einem Pitbull, Staffordshire oder Dobermann zerfetzen.«
»Hätten Sie nicht so einen armen Kettenhund befreien wollen?« Irmi ließ noch einen Versuchsballon steigen.
»Oh, da könnte ich Ihnen ad hoc an die zehn Bauernhöfe aufzählen, wo ich ebenfalls tätig werden könnte. Wahlweise können Sie einen Hund für horrendes Geld freikaufen, und der Mann holt dann sofort einen neuen, oder Sie lassen sich vom Hof schießen.« Trenkle erhob sich. »Ich geh dann mal wieder Katzen einfangen. Die Liste kriegen Sie. Und noch eins: Schad war es um Stowasser nicht.«
Sobald er draußen war, begann Kathi auf Irmi einzureden. »Sag mal, Irmi, der hat ja wohl voll mit dir geflirtet. Und du mit ihm. Mir ist der mehr als suspekt. Und dann dieses ständige Beim-Namen-Nennen, Frau Mangold hier, Frau Mangold da. Das hat der mal bei einem Rhetorikseminar gelernt oder so. Voll nervig, oder?«
Irmi hätte jetzt viel sagen können, zog es aber vor zu schweigen. Kathi war eine komplett andere Generation als sie und wusste nichts von Wackersdorf, nichts von besetzten Häusern. Irmi hatte Anfang der Achtziger einen Typen kennengelernt, der in Freiburg in einer besetzten Bruchbude gelebt hatte, schaurig-schön war das gewesen und abenteuerlich, doch schon bald hatte Irmi bemerkt, dass sie auch in alter Jeans und Schlabber-Sweatshirt immer noch ausgesehen hatte wie das nette Mädel von nebenan. So abenteuerlich ihr der Typ anfangs erschienen war – irgendwann wusste sie, dass sein nonkonformes Leben auch nichts anderes war als ein Ritual. Zwar hing der Aufkleber »Atomkraft – nein danke« am Kühlschrank, aber das Licht brannte, auch wenn niemand zu Hause war. Klar, sie bezahlten den irgendwo angezapften Strom ja auch nicht. Als dann auch noch eine Gasleitung angezapft wurde, war Irmi aus Sicherheitserwägungen wieder ausgezogen und zurück ins Werdenfels gegangen.
Zum ersten Mal hatte sie gespürt, dass sie unpassend war: unpassend für polemische Gruppierungen jeder Art. Unpassend für Verbände und Vereine, weil deren Zielrichtung war, Profilneurotikern eine Plattform zu geben. Was am Land gar nicht so einfach gewesen war, denn eine konsequente Vermeidung von allen Trachten-, Gartenbau- oder Schützenvereinen war den Leuten dort mehr als suspekt. »Is die was Besseres?«, war immer die Frage in der Nachbarschaft gewesen. Irmi rettete da nur, dass ihr Bruder bei der Feuerwehr und in gefühlt hundert anderen Vereinen
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