Mordswald - Hamburgkrimi
wiegte den Kopf. "Ist allerdings auch kein
besonders ungewöhnliches Vorgehen. Als Gemeinsamkeit zu wenig
aussagekräftig." Er seufzte. "Was haben wir sonst noch?"
"Die Telefongesellschaft von der Leyhausen hat sich
gemeldet", sagte Sebastian und wühlte in dem Stapel Papiere, die er in der
Hand hielt, "und haben die Liste mit den Verbindungsdaten geschickt. Sie
hat am Abend ihres Todes noch mit Daniel Vogler telefoniert."
Vogler hatte also definitiv gelogen, als er behauptet hatte,
zwischen der Ermordung Birkners und Franziska Leyhausens nicht mit ihr
gesprochen zu haben. Außerdem schien er einen Grund zu haben, sowohl Philip
Birkner als auch Julia Munz zu verabscheuen, falls Sonja Birkner recht hatte
mit der Vermutung, dass er damals von der Clique der beiden übel schikaniert
worden war.
"Gut möglich, dass er auch schon Julia Munz umgebracht
hat. Aber Birkner?", sagte Alex zweifelnd. "Nach so langer Zeit? Ist
das nicht reichlich spät?"
Max hob die Schultern. "Wer weiß, wie lange er den Groll
mit sich herumgeschleppt hat, und dann genügt ein winziger Auslöser …"
"Aber warum bewirbt er sich dann bei seinem ehemaligen
Peiniger?", meldete Alex erneut Zweifel an. "Wenn ich zufällig in der
Firma meines Erzfeindes landen würde, würde ich doch zusehen, dass ich
schleunigst wieder verschwinde."
"Vielleicht war es ja gar kein Zufall", sagte Lina.
Hanno sah sie interessiert an. "Du meinst, Vogler hat
sich absichtlich bei Inoware beworben?"
"Aber was hatte er davon?", fragte Alex.
"Auf diese Weise kam er ganz dicht an Birkner ran",
spann Max den Faden weiter. "Und konnte ihm zum Beispiel mit einem
Programmierfehler die Firma ruinieren."
"Die Sache läuft allerdings nicht so, wie Vogler es sich
vorgestellt hat", übernahm Lina erneut den Ball. " Inoware macht
zwar Pleite, aber Birkner fällt weich und findet sofort wieder einen Job. Also
behält er ihn weiterhin im Auge und wartet auf die nächste Chance."
"Und die bietet sich ihm letzten Donnerstag", sagte
Hanno langsam. "Er ist mit Franziska Leyhausen verabredet, kommt etwas
später, sieht, wie sie mit Philip flirtet, und dreht durch." Voller
Energie richtete er sich in seinem Schreibtischsessel auf. "Wir müssen
schleunigst herausfinden, was damals an der Schule eigentlich passiert
ist." Er kramte in den Papieren vor sich. "Wir haben hier doch die
Namen derjenigen, die damals in dieser Clique waren. Befragt die mal." Er
blickte auf. "Fangt ruhig mit Lukas Birkner an. Der ist ja
praktischerweise schon hier."
Das Häufchen Elend, das im Vernehmungsraum auf sie wartete,
erinnerte Lina an Frank Jensen, der vor einer Woche genauso ungewaschen,
unrasiert und mit geröteten Augen hier gesessen hatte. Lukas Birkner sah auf,
als Max und Lina eintraten, blickte jedoch rasch wieder zu Boden, als er ihre
Mienen sah.
Lina musterte den Mann, der nicht einmal ein Jahr jünger als
sein verstorbener Bruder war, aber mindestens zehn Jahre älter aussah. Seine
dünnen Haare hingen ihm strähnig ins Gesicht, sein Hemd war fleckig, und unter
den Achseln hatte er große Schweißflecken. Er stank nach Alkohol und
ungewaschenem Körper.
"Ihre Frau liegt im Krankenhaus", stellte sie fest.
Birkner schluckte. "Das … das tut mir schrecklich leid.
Ich wollte ihr nicht wehtun, aber …"
"… aber sie hat Sie provoziert, stimmt's? Eigentlich
könnten Sie gar nichts dafür, dass Ihnen die Hand ausgerutscht ist, hab ich
recht?" Lina konnte sich ihren Sarkasmus nicht verkneifen. Sie ahnte es
mehr, als dass sie Max warnendes Stirnrunzeln wirklich sah.
Lukas Birkner krümmte sich. "Nein, ich meine, natürlich
ist es meine Schuld gewesen, ich bin einfach ausgerastet und wusste nicht mehr,
was ich tat. Bitte glauben Sie mir, es tut mir schrecklich leid, und ich
verspreche …"
"Versprechen Sie jetzt man lieber nichts",
unterbrach Max ihn ruhig. "Erzählen Sie uns lieber, warum Sie Ihre Frau so
zugerichtet haben."
Birkner sah zu Boden. "Ich … das weiß ich eigentlich gar
nicht so genau. Ich hatte etwas getrunken, und dann haben wir uns gestritten,
und dann … dann ist es eben passiert."
Lina ballte die Fäuste unter dem Tisch, so dass Birkner es
nicht sehen konnte, und sagte nichts.
"Und worüber haben Sie sich gestritten?", fragte
Max.
"Hab ich vergessen."
"Sie lügen."
Lukas Birkner sah Max an, versuchte, ein aufrichtig empörtes
Gesicht zu machen, was jedoch gründlich danebenging. Er öffnete den Mund, um
sich zu verteidigen, doch Max schüttelte nur stumm den
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