Mordswald - Hamburgkrimi
abgehalten,
Daniel Vogler weiterhin zu schikanieren", wandte Lina ein.
"Ich glaube nicht, dass Vogler freiwillig mit der
Sprache rausrückt, was damals passiert ist", sagte Max, die Klinke zu
ihrem Büro schon in der Hand. "Er wäre schön blöd, wenn er uns ohne Not
ein Motiv für den Mord an Birkner präsentieren würde. Und sonst haben wir
nichts gegen ihn in der Hand, oder?"
" Nada . Uns bleibt nichts anderes übrig, als auf die Auswertung der
DNA-Spuren zu warten." Sie seufzte. "Und du weißt ja – der
Dienstweg dauert sechs Wochen."
Als Max zusammen mit Lina das Foyer des Gesundheitszentrums St.
Pauli betrat, umfing ihn zum dritten Mal im Zuge dieser Ermittlungen der
typische Krankenhausduft aus Putz- und Desinfektionsmitteln. Doch das alte
Gebäude direkt am Hamburger Hafen diente schon seit Jahren nicht mehr als
Krankenhaus, sondern war nach einer gegen den Willen der Bürger Hamburgs
durchgesetzten Schließung in ein Gesundheitszentrum umgewandelt worden. Die
Ambulanz übernahm heute die Aufgaben einer Krankenhausnotaufnahme, was hier in
einem der ärmsten und schillerndsten Viertel Hamburgs eine … nun ja,
interessante Aufgabe darstellte.
Max und Lina gingen zum Informationsschalter, nannten ihre
Namen und erwähnten, dass sie einen Termin bei Dr. Björn Boysen hatten. Wie
sich herausgestellt hatte, war es gar nicht so einfach, die ehemaligen
Mitglieder der Clique aufzutreiben. Dr. Boysen war der Einzige, der heute noch
in Hamburg lebte, also hatten Max und Lina beschlossen, sich den Mann als
Erstes vorzuknöpfen. Nach kurzer Wartezeit holte sie ein schlanker,
hochgewachsener Mittdreißiger ab. Seine braunen Augen musterten sie aufmerksam,
die mittellangen braunen Haare fielen ihm locker in die Stirn, der Händedruck
war fest und warm. Unwillkürlich dachte Lina, dass er schlecht in eine Clique
arroganter Jugendlicher passte, die ihre Mitschüler terrorisierte. Aber wer
weiß, seit damals war schließlich schon einige Zeit vergangen, und Menschen
veränderten sich. Boysen führte sie in einen kleinen Besprechungsraum mit
Fenster zum Innenhof, in dem ein paar Menschen in der Sonne saßen.
"Was kann ich für Sie tun?", fragte der Arzt
freundlich, nachdem alle Platz genommen hatten. Er wusste bislang nur, dass Max
und Lina von der Kripo waren, aber ganz offensichtlich war er als Arzt, der in
St. Pauli in unmittelbarer Nähe zur Reeperbahn praktizierte, Besuche von der
Polizei gewöhnt.
"Wir ermitteln in einem Mordfall, von dem Sie vielleicht
gehört oder gelesen haben", begann Max, während Lina den Mann aufmerksam
beobachtete. "Erinnern Sie sich noch an Philip Birkner? Soweit wir wissen,
sind Sie mit ihm zusammen zur Schule gegangen."
"Ja, ich erinnere mich an Philip", sagte Boysen langsam,
doch sein Ton hatte etwas Zurückhaltendes bekommen, als sei er plötzlich auf
der Hut. "Aber wir waren nicht auf einer Schule. Ich kannte ihn nur über
eine damalige Freundin, Miriam Haase. Wir sind eine Zeit lang öfter zusammen
losgezogen." Er sah von Max zu Lina und wieder zurück. "Warum fragen
Sie? Ist ihm etwas zugestoßen?"
Max nickte. "Er ist tot, und wir versuchen, den Mord an
ihm aufzuklären."
Björn Boysen holte vernehmlich Luft und lehnte sich schwer
auf seinem Stuhl zurück. "Was möchten Sie wissen?", fragte er
schließlich.
"Stimmt es, dass Ihre Clique damals einen anderen
Schüler, Daniel Vogler, gemobbt hat?"
"Ja, das stimmt." Björn Boysen sah Max ins Gesicht,
wandte den Blick jedoch rasch wieder ab. "Obwohl es genau genommen nicht
meine Clique war, ich war nur als Freund von Miriam ab und zu dabei." Er
schwieg eine Weile, dann sagte er: "Daniel Vogler hieß er also? Ich kannte
nicht einmal seinen Nachnamen, sondern wusste nur, dass er mit Julia und Maike
in eine Klasse ging und dort als Streber galt. Wenn ich seinen Namen gewusst
hätte …" Er ließ offen, was dann geschehen wäre. "Was möchten Sie
wissen?", wiederholte er.
Max musterte ihn interessiert. Der Mann erweckte den
Eindruck, als wollte er reden, als schleppte er seit Jahren eine Last mit sich
herum, die er sich nur zu gerne endlich von der Seele reden wollte. "Uns
interessiert besonders ein bestimmter Abend im Sommer vor siebzehn Jahren, an
dem die Clique im Stadtpark Daniel Vogler begegnete."
Björn Boysen nickte. Er war blass geworden, wandte den Blick
ab und sah aus dem Fenster. Schließlich drehte er sich wieder zu Max, und auch
dieses Mal konnte er ihm nicht in die Augen schauen. "Darüber habe ich
noch mit keinem
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