Mordwoche (German Edition)
den Fisch ins Waschbecken gleiten und säuberte ihre Hände. Sie passte sich seinen Tanzschritten an und gemeinsam wiegten sie die Hüften zu Bing Crosby’s White Christmas . Stefano genoss es, das warme und nach Kuchen duftende Haar seiner Frau an der Backe zu spüren. Als der Song zu Ende war, gab Francesca ihrem Mann einen Kuss und drehte die Werbung leiser. „So, jetzt muss ich mich aber ranhalten, die Kinder kommen bald und dann will ich hier fertig sein. Steht die Krippe schon?“ Francesca Zanolla hatte eine genaue Vorstellung davon, wie Weihnachten sein sollte. In der Küche musste alles laufen wie am Schnürchen, damit am Abend ein Festessen serviert werden konnte. Und so machte sie sich nach dieser kleinen Unterbrechung auch sofort wieder an die Arbeit und panierte die Fische in einer Mischung aus Semmelbrösel, Knoblauch, Salz, Pfeffer und Oregano. So hatte sie Pisci Spati a Palermitana von ihrer Mutter gelernt. Dann musste sie nur noch die Pasta durch die Maschine drehen.
„Ich kann das Bambinello Gesú nicht finden. Der Rest der Krippe steht schon, nur die Hauptperson fehlt noch.“ Francesca verdrehte die Augen. Sie konnte sich schließlich nicht um alles kümmern. Stefano stand in der Küche und wartete wie ein kleiner Junge auf eine Anweisung. „Die ist bestimmt noch unten im Keller. Schau doch mal in dem Schrank nach, aus dem du vorhin die Kisten mit der Krippe geholt hast. Du kannst bei der Gelegenheit gleich die leeren Kartons wieder mit runternehmen.“ „Alles klar. Sag mal, wo sind denn die Geschenke für die Kinder? Ich lege sie dann gleich noch unter den Baum.“ Die Bescherung würde dieses Jahr kleiner ausfallen und Stefano hoffte, dass die Enttäuschung der Kinder nicht zu groß sein würde, wenn sie morgen früh ihre Pakete öffneten. Seine Frau beklagte sich nicht, sie wusste ja, dass es nicht seine Schuld war, dass er seine Arbeit verloren hatte und sie sah, dass er sich ernsthaft um eine neue Arbeit bemühte. Allerdings konnte Stefano die Niedergeschlagenheit seiner Frau nur schwer ertragen, wenn er wieder einmal einen seiner Gelegenheitsjobs verloren hatte. Er musste etwas tun. Vielleicht sollte er seine alten Kontakte nach Deutschland noch einmal aktivieren. Adriano Felice aus Bärlingen würde ihm bestimmt noch einmal helfen können. Die Jobs, die er ihm vermittelt hatte, waren beide Male ausgezeichnet bezahlt gewesen. Er würde ihn gleich nach den Feiertagen anrufen.
Bevor Stefano die leeren Kartons wieder in dem großen Schrank verstaute, suchte er jedes Regalbrett sorgfältig nach dem Jesus-Kind ab. Schließlich fand er die Figur in Seidenpapier gewickelt zwischen seinen alten Arbeitsklamotten, die am Boden des Schranks lagen. Für die Ordnung in diesem Schrank war zwar er zuständig, aber er konnte sich nicht erklären, wie die Krippenfigur da hinkam. War vielleicht eines der Kinder an die Weihnachtskiste gegangen und hatte das Bambinello Gesú herausgeholt? Stefano wurde ganz heiß bei der Vorstellung, dass Matteo oder Giulia an seinem Schrank gewesen sein könnten. Aber seine Sorge war nicht berechtigt; das schwere Paket, das gut verschnürt ganz hinten im Schrank stand, war nicht angetastet. Stefano nahm es vorsichtig heraus und löste die Knoten der Schnüre. Er wickelte die alte Filzdecke ab und schlug auch das Leintuch, das dann zum Vorschein kam, zurück. Das Präzisionsgewehr hatte er sich vor einem dreiviertel Jahr in Palermo besorgt, nachdem er merkte, dass auch die Aushilfsjobs immer schwerer zu bekommen waren. Es hatte ihn selbst gewundert, wie einfach der Kauf war. Hier gehörten Waffen anscheinend zu den Gebrauchsgütern des täglichen Bedarfs, die man problemlos erstehen konnte, so wie man andernorts in den Baumarkt ging und sich Gartengeräte zulegte.
Stefano strich mit den Fingern über das kühle Metall. Francesca wusste nichts von seinem Geheimnis. Sie dachte, dass seine Aushilfsjobs in Deutschland Krankheitsvertretungen in einer Pizzeria waren. Auch die Höhe der Bezahlung hatte sie nicht stutzig gemacht. Für sie war Deutschland das gelobte Land. Die Leute dort mussten reich sein. Alle Kollegen im Süden mussten in der Krise sparen nur die nördlichen Nachbarn konnten noch Almosen verteilen. Dass die ausländischen Politiker Italien dafür einen harten Sparkurs diktierten, darüber empörte sich Francesca mit leidenschaftlicher Inbrunst.
Gut, dass Francesca nicht selbst auf die Suche nach der Figur gegangen war! Stefano nahm die Waffe aus
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