Mordwoche (German Edition)
Backen bekommen wie Marie und Lukas vorhin beim Vorspiel. „Na, das scheint der Tag der Geständnisse zu werden“, versuchte Karl einen Scherz, um sich selbst Mut zuzusprechen. Auf der anderen Seite, was könnte ihn heute noch überraschen, dachte er. Die Nachrichten konnten nur besser werden!
Susanne sah in die Familienrunde. „Was wir euch noch sagen wollten, ist, dass Alex und ich im Frühjahr heiraten werden.“ Stille. Es war so ruhig, dass man sogar hier Plutos Schnarchen hören konnte. Warum sagte denn niemand etwas? „Da ist noch etwas. Ich weiß, das ist sicher überraschend für euch, aber ihr werdet noch einmal Großeltern. Ich bin schwanger und im Juni kommt unser Baby zur Welt.“ Karl rang nach Luft und fasste sich ans Herz.
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Das Venezia war rappelvoll. Jeder Tisch war besetzt und Georg Haller blieb erst einmal in der Tür stehen, um sich zu orientieren. Montags hatten alle anderen Wirtshäuser in Bärlingen Ruhetag, nur Adrianos Pizzeria war geöffnet. Sie war die inoffizielle Kantine all derer, die in der Innenstadt arbeiteten und keine Lust auf ein Butterbrot aus der Vesperdose hatten. Das Venezia gab es schon so lange sich der Hauptkommissar erinnern konnte und Adriano hatte sich in all den Jahren kaum verändert. Die Haare waren zwar deutlich weniger geworden, aber der kleine Italiener wuselte immer noch jeden Tag geschäftig durch seinen Laden und bediente nach wie vor selbst. Er schleppte gleich mehrere der großen Pizzateller auf einmal zwischen den Tischen hin und her. Adriano war ein echter Superschwabe, ein sizilianischer Superschwabe. In seiner Brust wohnten nämlich zwei Seelen, die sizilianische und die schwäbische und nicht selten gerieten beide miteinander in Konflikt. Für seine Gäste hielt Adriano sein süditalienisches Erbe ein wenig im Zaum. In Bärlingen legte man großen Wert darauf, dass es ordentlich aussah im Lokal, dass alles sauber war und dass die Portionen groß und günstig waren. Nur in der Küche konnte der Chef Dampf ablassen, wenn es in der Gaststube mal wieder zu schwäbisch zuging. Er schimpfte dann im Dialekt seiner Heimatstadt und warf dem Koch zum Teil wüste Beschimpfungen an den Kopf, weil er der Meinung war, dass nur er wüsste, wie die Spezialitäten seiner Heimat zuzubereiten waren. Der Koch, ein Italiener vom Festland, war zwar der Dialekt-Salve des Chefs nicht gewachsen, stand diesem in Sachen Temperament aber in nichts nach. Als Rache klapperte er dann im Gegenzug lauter als nötig mit seinen Töpfen und hin und wieder ging auch mal ein Teller zu Bruch. Sobald Adriano jedoch die Küche verließ, war er wie ausgewechselt. Jetzt war er wieder der gut gelaunte Wirt, der für jeden ein freundliches „Ciao“ auf den Lippen hatte, ganz gleich, wie sehr es gerade in der Küche gekracht hatte.
Endlich hatte Georg Haller seine Kollegin entdeckt. Er hatte sich ein bisschen verspätet und sie hatte zum Glück schon einen Tisch besetzt. Lisa-Marie Töpfer saß direkt am Fenster und studierte gerade die Speisekarte. Der Hauptkommissar blieb noch ein wenig an seinem Platz stehen, um die junge Frau zu betrachten. Die hatte ihn schon ganz schön Nerven gekostet. Eigentlich war sie gar nicht der Typ Frau, mit dem er sich verabreden würde. Aber heute hatte er sie dennoch gefragt, ob sie zusammen Mittagessen würden. Ihm gefiel die Vorstellung, dass alle hier sehen konnten, mit was für einer attraktiven Frau er verabredet war. Lisa-Marie hatte eine sportliche Figur und lange blonde Haare, ihr Pony war ganz gerade geschnitten und reichte ihr bis zu den Augen. Wenn sie lachte, konnte man sehen, dass sie ganz ebenmäßige Zähne hatte.
Die Polizeiobermeisterin schaute auf und winkte ihrem Kollegen zu, um auf sich aufmerksam zu machen. Georg Haller tat, als ob er sie erst jetzt entdeckt hätte und kam an ihren Tisch. „Tut mir leid, ich bin ein bisschen zu spät. Ich wurde noch aufgehalten. Ich hoffe, Sie haben nicht zu lange warten müssen.“ Georg Haller nahm seiner Kollegin gegenüber auf dem rustikalen Korbstuhl Platz. „Eigentlich bin ich es nicht gewohnt, dass mich Männer warten lassen. Aber bei Ihnen mache ich eine Ausnahme. Immerhin haben Sie sich auch richtig fein gemacht für unser Treffen.“ Die junge Frau schnupperte in seine Richtung. „Mmhh, Kölnisch Wasser. Zugegeben, das ist mal was anderes.“ Seine Duftwolke hatte der Hauptkommissar völlig vergessen. Er selbst hatte sich schon an den Geruch gewöhnt. Diese Oma mit ihrem
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