Morenga
auch Gerüchte, daß der Veterinär sich in Warmbad mit dem braunen Gesindel regelrecht eingelassen habe, sogar ein Verhältnis mit einem Hottentottenmädchen gehabt habe. Und Elschner hatte natürlich auch von diesem fidelen Patrouillenritt des Leutnants von Schwanebach gehört (der inzwischen gefallen war). Auf dem Ritt soll sogar gejodelt worden sein. Wo dieser Gottschalk auftauchte, gab es Schwierigkeiten und Komplikationen. Eben die haßte Elschner. Es war schon schwierig genug, diese schwerfälligen, laut brüllenden Ochsengespanne mit dem Peitschengeknall und dem Gebrüll der Treiber und den gewaltigen Staubwolken heil durch das Aufstandsgebiet zu bringen. Zwanzig Mann hatte man ihm als Begleitschutz mitgegeben. Das war nicht viel. Der Südosten des Schutzgebiets galt zwar momentan als nicht so gefährdet, da das Kommando der Schutztruppe mit Morenga einen Waffenstillstand abgeschlossen hatte und über einen Frieden verhandelte. Das war aber, was Elschner wußte, nur Hinhaltetaktik. Man wollte in dieser Zeit in aller Ruhe die Vorbereitungen für eine großangelegte Offensive gegen Morenga treffen. Elschners Wagentransport sollte dann auch Proviant und Munition in die Versorgungsdepots im Süden bringen. Seine Sorge war, daß Morenga, den er für einen Fuchs hielt, die Verhandlungstaktik der Deutschen durchschauen und den Kampf wiederaufnehmen könnte. Darum wollte Elschner den Transport möglichst zügig zu seinem Bestimmungsort Ukamas bringen. Leicht konnte man in diesem Krieg reüssieren, allerdings ebenso leicht ins Bodenlose fallen.
Gottschalk saß auf seinem Kamel wie auf einem Präsentierteller. Aufständische, die ihnen auflauerten, mußten ihn für den Leiter des Transportes halten. Er hockte auf dem Kamelhöcker wie auf einem Aussichtsturm. Elschner kam denn auch immer wieder herangeritten und fragte, ob Gottschalk irgend etwas entdecken könne. Gottschalk blickte dann, das mampfende Kamel unter sich, einmal mit dem Feldstecher in die Runde und sagte jedesmal: Nein, nichts Auffälliges zu entdecken. Einmal bot Gottschalk dem Leutnant das Tier zum Reiten an, aber der lehnte ab, mit dem Hinweis, er könne doch jetzt inmitten des feindlichen Gebiets nicht anfangen, das Kamelreiten zu lernen. Gottschalk, über die Wagenkolonne blickend, hielt es jetzt für einen Fehler, daß er das beste unter den vier Kamelen ausgesucht und als Reittier mitgenommen hatte. Ein Testritt, so hatte er das begründet.
Leider waren von diesen kanarischen Kamelen schon weit über tausend Stück geordert, und ein Großteil war auch schon verladen und inzwischen auf hoher See.
Nach den negativen Expertisen Gottschalks über die kanarischen Kamele orderte das Kommando der Schutztruppe eine andere Kamelrasse, und zwar erhielt die Hamburger Firma Hagenbeck den Auftrag.
Tagebucheintragung Gottschalks vom 3. 9. 05
Fernab von menschlichen Behausungen führt uns der Weg am Geitsaub entlang.
Obwohl es nun seit sechs Monaten nicht mehr geregnet hat, steht in den zum Teil verschilften Vleys noch Wasser. Eine Zuflucht für alle Lebewesen. Wir finden auch regelmäßig Spuren von Hottentotten und Buschleuten. Aber die Staubwolken unserer Abteilung und die Fluchten des vor uns hochgescheuchten Wildes zeigen über Meilen unser Kommen an.
An der Vley Geitsaub fanden wir gestern Graspontoks, die vor Wochen eine deutsche Abteilung gebaut hatte: große schattenspendende Bienenstöcke. Aber wenige Schritte davon entfernt lagen verstreut Menschenknochen (Tierfraß). Ich fand ein Schulterblatt, klein und zierlich.
Der Gedanke, daß hier auch Wenstrup auf seiner Flucht gerastet haben kann, macht dennoch alles vertrauter.
Hatte Gottschalk in den ersten Tagen meist mit Zeisse zusammen am Biwakfeuer gesessen und sich über die serienmäßige Herstellung von Kuhgebissen unterhalten, so wurde er an diesem Abend von Elschner zu einem Glas Arrak eingeladen. Auch Elschner wollte wissen, was das mit dieser merkwürdigen Klammer auf sich habe, die Gottschalk in seiner Satteltasche mit herumschleppe. Gottschalk lehnte ein weiteres Glas Arrak ab. Sein Magen sei wieder empfindlich geworden, denn zuletzt in Keetmannshoop habe er ihn kaum noch gespürt, aber dieses ewige Herumziehen bekomme ihm wohl nicht.
Von jenem Abend an aßen Elschner und Gottschalk gemeinsam. Elschners Ziel war es, einmal im Generalstab Dienst zu tun. Er sprach das ganz offen aus. Den Truppendienst fand er abwechslungsreich, für eine kurze Zeit wie eine Sommerfrische, auf Dauer
Weitere Kostenlose Bücher