Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan
Land.«
Die Hoffnung in den Augen des Priesters, als er von einem zum anderen blickte, war schrecklich anzuschauen, sein Kinn zitterte, die Augen waren tränenfeucht. Er hob die Hand, um Morgaine zu berühren, hatte dann aber doch nicht den Mut dazu und berührte statt dessen Vanyes Hand leicht mit dem Finger, nicht mehr. »Bitte!« flehte er.
»Wer hat dir das gesagt?« wollte Morgaine wissen. »Wer?«
»Wir haben gewartet«, flüsterte der Priester heiser. »Wir haben uns um die Brunnen gekümmert und gewartet. Nimm uns mit!«
Morgaine wandte das Gesicht ab, unwillig, weiter mit ihm zu sprechen. Der Priester ließ die Schultern hängen und begann zu schluchzen; als Vanye ihn berührte, blickte er auf, und sein Gesicht ließ erkennen, daß er sich zum Tode verurteilt wähnte. »Wir haben den
khal
gedient«, protestierte er, als könne ihn das bei der, die Ohtij-in erobert hatte, in Gunst bringen. »Wir haben gewartet, wir haben gewartet. Lord, sprich mit ihr. Lord, wir hätten dir helfen wollen.«
»Geh!« sagte Vanye und zog ihn hoch. Unbehagen rührte sich in seinem Herzen beim Anblick dieses Priesters, der dem Teufel gedient hatte, dessen Gebete den Werken der
qujal
galten. Der Priester wich vor seinen Händen zurück, ihn mit den Augen anflehend. »Sie hat mit dir und deinesgleichen nichts zu tun«, sagte Vanye zu dem Priester. »Und ich auch nicht.«
»Barrow-Könige haben sie gekannt«, flüsterte der Priester, und sein Blick zuckte zu einer Stelle hinter Vanye und wieder zurück. Mit fahrigen Bewegungen faßte er die Amulette, die über seiner Robe hingen. »Der Lord Roh hat die Wahrheit gesagt. Er hat die Wahrheit gesagt.«
Mit diesen Worten wollte der Priester zur Tür eilen, doch Vanye packte ihn und zerrte ihn herum, während einige andere zurückwichen. Der Priester wehrte sich vergeblich, ein schwacher, verzweifelter Mann.
»Liyo«,
sagte Vanye mit leiser Stimme, verängstigt wegen der Männer, die ringsum zuhörten; bereit, den Priester beim geringsten Protest zum Schweigen zu bringen.
»Liyo,
laß ihn nicht gehen. Dieser Priester wird dir schaden, wo er kann. Ich bitte dich, höre auf mich.«
Morgaine sah ihn an, dann den Priester. »Mutiger Priester«, sagte sie mit ruhiger, klarer Stimme in die Stille, die im Saal eingetreten war. »Fwar!«
Ein Mann löste sich aus der Ecke, in der die Wächter bewacht wurden, größer als die anderen, beinahe so groß wie Morgaine. Ein kantiges Gesicht hatte er, eine abheilende Wunde von der rechten Wange zum linken Kinn, über beide Lippen. Vanye erkannte ihn sofort, den Mann, der seinen Wallach in den Hof geritten hatte — das Gesicht, das mürrisch zu ihm aufgeblickt hatte. Einen ähnlichen Blick empfing er jetzt; der Mann schien keine andere Stimmung zu kennen.
»Aye, Lady?« fragte Fwar. Sein Dialekt war einfacher als der der anderen, und er stand furchtlos und aufrecht vor Morgaine.
»Hol deine Leute zusammen!« sagte Morgaine, »und sucht die überlebenden
khal.
Sie dürfen nicht getötet werden, Fwar. Sie sind in einem Raum zusammenzulegen und unter Bewachung zu stellen. Und du weißt inzwischen, daß ich meine, was ich sage.«
»Aye«, antwortete Fwar und runzelte die Stirn. Sein Gesicht mochte einmal ganz normal gewirkt haben. Aber damit war es vorbei; es war zu einer Maske geworden, aus der besonders die Augen hervorstachen, in denen ein heißblütiger, gewalttätiger Blick lag. »Bei einigen kommen wir aber zu spät.«
»Mir ist egal, wessen Schuld das ist«, sagte Morgaine. »Du allein bist mir gegenüber verantwortlich.«
Fwar zögerte, verneigte sich, wollte sich entfernen.
»Und, Fwar . ..«
»Lady?«
»Ohtij-in ist jetzt eine Feste der Menschen. Ich habe mein Wort gehalten. Wer jetzt noch stiehlt und plündert — bestiehlt dich.«
Diese Vorstellung ließ Fwar zusammenzucken, und andere Männer im Raum richteten sich auf und waren deutlich ernüchtert. »Aye«, antwortete Fwar.
»Lady«, warf ein anderer ein in schwer verständlichem Dialekt, »was ist mit den Getreidevorräten? Sollen wir sie verteilen ...?«
»Ist Haz nicht euer Priester?« fragte sie. »Laßt die Vorräte durch euren Priester austeilen! Es ist euer Korn, es sind eure Leute. Belästigt mich in diesen Dingen nicht mehr! Sie interessieren mich nicht. Laßt mich in Ruhe!«
Ein bestürztes Schweigen trat ein.
Einer der Sumpfbewohner stieß die
qujalin
-Wächter an, leitete sie zur Tür. Ihnen folgten andere, Fwar und Haz; zuletzt blieben nur noch Haz' drei
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