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Morgen des Zorns

Morgen des Zorns

Titel: Morgen des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Douaihy
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gehen. Wundere dich nicht, so bin ich nun mal, ich war davon überzeugt. Deine Generation denkt sicher nicht so. Ich weiß nicht, ob ich es mir schöngeredet habe oder ob mich jemand davon überzeugt hat. Ich habe dazu geschwiegen, dass er sich mit anderen Frauen abgibt. Nicht ein einziges Mal habe ich ihn spüren lassen, dass ich eifersüchtig war, und ich war tatsächlich nicht eifersüchtig. Ich wusste, dass er mich liebt, und das reichte mir. Bis ich ihn eines Tages seine Pistole habe reinigen sehen. Er hatte die Teile vor sich auf dem Tisch verstreut und sie geölt und sich daran erfreut. Ich habe ihn gefragt, was er da macht, und da hat er gesagt, er bereitet sich darauf vor, am morgigen Sonntag an der Messe zum einjährigen Gedenken an den Bruder des Bischofs in Burdsch al-Hawa teilzunehmen.
    – Und wozu die Pistole, wenn du ganz gegen deine Gewohnheit in die Kirche gehst?
    – Das ist so Brauch bei uns, hat er lächelnd geantwortet.
    – Musst du dahin gehen?
    Ich hatte böse Vorahnungen. Damals habe ich ihn immer davon abzuhalten versucht, an größeren Versammlungen teilzunehmen. Ich war weniger unruhig, wenn er abends zu Glücksspielen oder zu Frauen ging.
    Ich kann mich noch erinnern, dass ich ihn an jenem Tag gefragt habe:
    – Gehen Fuâd al-Râmi und sein Bruder Butros auch zu dieser Messe?
    Du kennst sie, Elia, die beiden Kumpel von deinem Vater aus der Kindheit. Trotz der Probleme zwischen den Familien mochte er sie noch immer und war mit ihnen befreundet, manchmal lud er sie zum Abendessen auf dem Balkon bei uns ein, und ich habe sie bis spät in die Nacht bewirtet. Er hat mit ihnen Karten gespielt, und ich glaube, er ist mit ihnen auch zu den Frauen gegangen, weil sie wohlhabend waren und Junggesellen, die das Glücksspiel, Trinken und Frauen liebten. Er hat lange gezögert, als ich ihn nach den beiden gefragt habe, dann hat er gesagt, dass er nicht weiß, ob sie das Familienoberhaupt begleiten würden. Sie würden Problemen lieber aus dem Weg gehen.
    – Du weißt doch, hat er zu mir gesagt, sie lieben das Leben.
    Da habe ich ihn gefragt, ob er auf sie schießen würde, wenn er mal mit ihnen aneinandergeriete. Darüber hat er nur gelacht:
    – Mit Fuâd und Butros al-Râmi? Wie soll ich mit denen aneinandergeraten?
    Aber ich hatte Angst um ihn und mir gesagt, wenn er stirbt, will ich auch sterben. Am einfachsten geht es mit Gift, habe ich mir gedacht. Ich trinke das Gift und bin alle Sorgen los. Ich habe mir genau vorgestellt, wie ich mich umbringe, aber niemand stirbt wegen jemand anderem.
    Am frühen Abend hat er sich die Haare gekämmt und sich zum zweiten Mal an einem Tag rasiert, wie es seine Gewohnheit war, wenn er ausgehen wollte. Er hat eine halbe Flasche Parfüm über sich geschüttet und wollte schon die Tür öffnen und gehen, ohne sich von mir zu verabschieden. Da habe ich mich ihm in den Weg gestellt.
    – Heute Nacht will ich schwanger werden, habe ich zu ihm gesagt.
    Er hat mich ausgelacht und Anstalten gemacht, mich beiseitezuschieben.
    – Wenn es regnen wollte, wären längst Wolken aufgezogen …
    Diesen Satz hat er immer in einem verzweifelten Ton gesagt, wenn ich die Schwangerschaft zur Sprache brachte.
    Ich habe ihn angefleht. Auch er hat mich geliebt. Deshalb hat er nachgegeben. Er lachte zwar über mich und meine Bemühungen, aber er war im Herzen tieftraurig. Ich weiß nicht, warum er sich den Anschein geben wollte, dass er sich nichts aus Kindern macht, er fand immer schöne Worte, um mich zu beruhigen, und sich selbst auch. Die Leute, auch seine Freunde, redeten ihm ein, dass Kinder eine Belastung sind, je größer die Kinder, desto größer die Sorgen, oder, das sei eben Gottes Wille … Er ging mit seinen Verwandten zu dieser Messe für die Seele des Bruders vom Bischof. Möge Gott ihn in der Hölle schmoren lassen, dieser Bruder war vor ein oder zwei Jahren gestorben, welcher Teufel hat den Bischof geritten, eine Messe für ihn halten zu wollen und diese ganzen Leute dazu einzuladen, und das nur eine Woche vor den Wahlen? Seit jenem Tag kann ich weder Priester ertragen noch Geschichten über sie.
    Um ein Uhr mittags ist Jûssef fortgegangen. Sie haben sich irgendwo getroffen und sind alle zusammen hochgestiegen. Um fünf Uhr kehrte er mit den anderen Toten zurück. Man brachte sie auf einem kleinen Pritschenwagen her, und die Männer waren so lang, dass ihre Füße hinten heraushingen. Er war von zwei Kugeln in den Rücken getroffen worden, eine davon ging ins Herz.

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