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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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Sir. Wir sehen uns dann dort.« Sie hängte auf. »Inspector Silver möchte, dass ich Sie zu ihm bringe. Es gibt eine neue Spur.« Wieder packte die Hoffnung mich und ließ meine Hände zittern. Doch ich sagte mir, das sei nur das Koffein. Obwohl ich nichts sagte, schien Deb meinen Energieschub zu spüren.
    »Sie …«
    Ich war schon halb aus dem Zimmer, als sie mich am Arm erwischte: »Sie sollten nicht zu viel Hoffnung hineinsetzen, in Ordnung? Solche Dinge brauchen Zeit.« Wie viel Zeit denn noch?, dachte ich bei mir.
    »Gut«, stimmte ich ihr zu. Aber ich log. Das war es jetzt, ich war ziemlich sicher. »Aber ich habe so ein Gefühl, Deb. Dieser komische General. Er hat euch doch etwas gesagt, oder nicht? Wie ist er denn an das Foto von Louis gekommen, wenn er nichts mit dem Ganzen zu tun hat? Gott, war das ein Widerling.« Mir lief ein Schauder über den Rücken. »Wissen Sie, meine Tante Rita meinte immer, ich hätte eine Art seherischer Gabe. Und jetzt habe ich das Gefühl, dass sich etwas tut. Endlich.«
    Gegen ihren Willen musste Deb lächeln. »Hoffen wir es, Jess. Sie hätten es wirklich verdient. Ich halte Ihnen jedenfalls die Daumen.«
    Sie kutschierte mich durch die Vorstädte hinter Blackheath, durch die Badezimmerausstatter mit Sonderpreisen, die chinesischen Fast-Food-Lokale, vorbei an apfelbäckigen Mädchen, die hübsche Kinderwagen aus dem Katalog vor sich her schoben, hinaus nach Sidcup, wo die Grafschaft Kent beginnt. Die keineswegs wie der Garten von England aussah, wie man immer behauptete. An einer Tankstelle wartete Silver auf uns. Er kam aus dem Kiosk und schlürfte eine Diät-Coke. Er hatte kein Jackett an, was mir ein gewisses Unbehagen verursachte. Es war ein bisschen so, als würde man seinen Lieblingslehrer nackt vor sich sehen. Ich legte mein Zeug auf den Rücksitz seines Wagens, während Deb und er miteinander flüsterten. Dann öffnete er mir die Beifahrertür.
    »Sieht aus, als müssten Sie mit mir fahren«, sagte er und winkte Deb zur Seite. »Aber dieses Mal wird nicht gekotzt, Kindchen, klar?«
    »Ich kann nichts versprechen«, sagte ich forsch und quetschte mich in den Wagen. »Mir wird beim Autofahren leicht schlecht. Außerdem sollten Sie wissen, dass Diät-Coke bei einem gut entwickelten Polizisten, wie Sie einer sind, ein bisschen schwul rüberkommt.« Sein Gesichtsausdruck brachte mich zum Grinsen.
    Silver versuchte weiterhin, gleichzeitig die Straßenkarte zu lesen und das Auto zu steuern. Als er schließlich wieder einmal die falsche Abzweigung erwischte, und ich erneut mit meinem ohnehin schon ramponierten Kopf gegen das Wagenfenster stieß, wurde es mir zu bunt.
    »Wenn Sie mir sagen, wohin wir wollen, kann ich Co-Pilot spielen.« Ich griff zum Armaturenbrett und zog ihm die Karte unter der Hand weg, mit der er krampfhaft versuchte, sie am Zuklappen zu hindern.
    »Eastbourne. Die South Downs. Bei Beachy Head«, sagte er.
    »Beachy Head?« In meinem Kopf schrillten die Alarmglocken. »Ist das nicht der Ort mit den meisten Selbstmorden in ganz England? Das baut mich jetzt wirklich auf.«
    Er ignorierte mich und öffnete noch eine Coladose. Das Getränk spritzte durchs Wageninnere.
    »Aber warum dort? Warum sollte jemand Louis dorthin bringen?«
    »Jessica, niemand hat gesagt, dass Louis dort ist, haben Sie gehört? Aber es gibt dort einige interessante Spuren, denen es sich nachzugehen lohnt. Und …« Ich sah seinen Blick nicht. »… ich dachte, ein Tapetenwechsel täte Ihnen gut.«
    Meine Welt fiel wieder in sich zusammen, schrumpfte mit jedem seiner Worte. Irgendwie war mein Kopf schon wieder in die Klammer geraten.
    »Ich werde mich dort mit Kelly und einigen Beamten aus Sussex treffen.« Er steckte sich einen weiteren Kaugummistreifen in den Mund, während er lässig einem toten Dachs auswich, der aussah, als habe er bloß vergessen weiterzulaufen.
    Die Landschaft war für diesen nüchternen Anlass viel zu schön. Wir fuhren über kleine Sträßchen durch saftiges Grün. Bäume ließen ihre Zweige fast bis zum Autodach herunterhängen. Malzhäuser aus rotem Klinker mit Dächern, die aussahen wie Hauben aus schneeweißen Papierbögen, säumten die größeren Straßen. In den Wäldern, die wir durchquerten, standen die Jungbäume wie die Borsten einer Haarbürste. Alles schien so seltsam vertraut.
    Silvers Handy klingelte. Er ging ran, während er weiterfuhr. Vielleicht waren Polizisten ja Dinge erlaubt, die uns Normalsterblichen verboten sind.
    »Weine doch nicht,

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