Morgen ist der Tag nach gestern
Vergnügungen ausgegeben.“ Ihre Stimme ist jetzt müde.
Das Haus gehört ihr nicht. Das Haus gehört ihm nicht.
Er dreht sich um. „Aber ich trage zu unserer Ernährung bei.“
Er greift nach der Schüssel mit den Tomaten. „Siehst du? Das Gewitter! Sie sind geplatzt. Das wäre nicht passiert, wenn wir ein Treibhaus hätten. Und auch im Winter müssten wir keine Tomaten mehr kaufen, wenn …“
Sie schüttelt ungläubig den Kopf.
Dann schnappt sie nach Luft und brüllt wieder los.
„Du bist doch nicht bei Verstand. Du weißt ja schon überhaupt nicht mehr wie die Welt funktioniert …“
Die Türglocke stoppt sie. Das Ding-Dong um diese Zeit ist ein seltenes Geräusch. Manchmal der Briefträger. Vormittags! Aber jetzt?
Sie sieht ihn an und nickt in Richtung Fenster.
„Sieh mal nach!“, zischt sie.
Vorsichtig schiebt er die Scheibengardine ein Stück zur Seite. Sofort weicht er zurück.
„Wer ist das?“ Sie flüstert.
Er flüstert zurück. „Ein Polizist. Er war schon mal hier. Wegen dem Feuer.“
Wieder ertönt die Glocke.
„Na, dann mach auf. Wir haben doch nichts zu verbergen.“
Er sieht sie an.
„Was ist denn noch?“, zischelt sie ärgerlich.
Er geht zur Anrichte und reicht ihr ein Küchentuch.
„Dein Gesicht“, flüstert er.
Sie nimmt das Tuch und nickt ihm zu.
„Danke mein Junge!“
45
Sie schiebt ihr Handy in die Freisprechanlage und telefoniert mit ihrer Dienststelle. Ihr Lagebericht ist kurz und präzise.
„Könnt ihr bitte mal Simone Remmers überprüfen.“ Sie buchstabiert den Namen und gibt die Adresse durch. „Das wäre jetzt eilig, Horst. Ich warte!“
Sie fährt die schnurgerade Landstraße entlang, vorbei an riesigen Gärtnereien, Pferdekoppeln, schmucken Häusern mit großen Gärten und immer wieder über lange Strecken durch schattigen Mischwald. Zur Linken döst ein Soldatenfriedhof in der Hitze.
Wenn sie jetzt angehalten würde, könnte auch ihre Dienstmarke sie nicht mehr retten. In der einen Hand die Zigarette und einen Kaffee to go, in der anderen ein Käsebrötchen. Sie denkt an die Plakate der Verkehrspolizei: UND WER FÄHRT?
Die freundlich neutrale Stimme ihres Navigationssystems meldet sich wieder zu Wort. „Biegen Sie nach hundert Metern rechts ab.“
Gleichzeitig meldet sich der Kollege zurück. „Sabine hörst du?“
„Ja!“ Sie lässt einen Fahrradfahrer passieren und biegt ab.
„Simone Remmers. Seit fünf Jahren ist die bei uns nicht mehr aufgetaucht. Früher einige Male wegen Prostitution überprüft. Gehörte lange Zeit zu so einer Schickeriaszene. Kokain und so. Aber das ist auch schon alles. Arbeitet selbständig. Begleitservice! Das Übliche!“
Sabine bedankt sich. Sie hat die nächste Anweisung der Navigationsdame nicht richtig verstanden. Da meldet sie sich schon wieder. „Bitte wenden Sie bei …“
„Ja, ja, ja! Du blöde Kuh!“ Sie wirft das Brötchen auf den Beifahrersitz und folgt den neuen Anweisungen.
Die Siedlung am Stadtrand, in der Simone Remmers wohnt, gehört zu denen, mit welchen sich alle deutschen Städte schmücken. Die Hausnummern sind hier das einzige Unterscheidungsmerkmal.
Triste Gleichmacherei. Block an Block in grauer Uniform. Dazwischen die hochgelobten Grünflächen. Dürftiger Rasen mit verwaisten Sandkästen und abgerissenen Schaukeln. Mittendrin der obligatorische Baum.
Die Hausnummern sind logisch sortiert, was nicht immer unbedingt der Fall ist, wie sie aus Erfahrung weiß. Sie findet die Klingel mit der Aufschrift „Remmers“ ohne Probleme.
Der Türöffner summt. Der Flur, mit abwaschbarer, ockerfarbener Farbe gestrichen, ist angenehm kühl.
Simone Remmers steht wartend in der Tür.
Die zierliche blonde Frau ist auffallend hübsch. Sie trägt ein weites, rotes T-Shirt über einer an den Oberschenkeln abgeschnittenen Jeans.
„Ja, bitte.“
Sabine Ecks zieht ihren Ausweis aus der Tasche und stellt sich vor. „Kann ich reinkommen?“
Die Frau zögert. Dann geht sie einen Schritt zurück und gibt den Eingang frei. „Bitte!“
Die Wohnung ist erstaunlich groß und hell. Es gibt Träger an den Decken. Mehrere Wände sind nachträglich entfernt worden. Geschmackvoll möbliert. Modernes Design kombiniert mit teuren Antiquitäten.
Sabine nickt ihr anerkennend zu. „Schick! Wirklich schick!“
„Sie sind nicht gekommen, um mir zu meiner Wohnung zu gratulieren, oder?“ Simone Remmers steht mit verschränkten Armen an die Rückseite eines schwarzen Ledersofas gelehnt und macht keine
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