Morgen komm ich später rein
Marketing und Produktdesign selbstständig, VW gehörte zu den ersten Kunden. Heute
arbeitet er auch für Audi, Villeroy&Boch, Nike oder van Laack.
Projekte wie Moonraker haben in den Konzernen deutliche Spuren hinterlassen: Die ganze VW-Markenausrichtung in den USA stammt
aus dem Projekt und derzeit werden – ebenfalls aus seinen Erkenntnissen heraus – mehrere Fahrzeugmodelle nur für den amerikanischen
Markt entwickelt. Für den gesamten Volkswagenkonzern wurden die in den Projekten entwickelten Methoden in den Kernprozessen
etabliert. Scouting gehört bei VW, Audi oder auch |137| BMW heute zum Standardprogramm, wenn über neue Modelle oder Markteintrittstrategien nachgedacht wird. BMW leistet sich nach
wie vor jährlich mindestens zwei Projekte à la Deep Blue – diese Form der Durchbruchsarbeit mit Laborcharakter ist heute fester
Bestandteil der Arbeitsweise in München.
Liske sieht im Rückblick große Unterschiede in der Unternehmenskultur seiner Arbeitgeber: »Bei BMW sind die Leute viel besser
mit der organisatorischen Freiheit, mit dem Fehlen von Hierarchien und festen Arbeitszeiten zurechtgekommen. Bei VW gab es
eine erheblich genauere Aufgabenstellung und trotzdem hatten Viele Probleme mit der Freiheit, brauchten einen geregelten Arbeitstag.«
Für Liske ist das ein Spiegel der deutschen Unternehmenslandschaft: Manche Manager verstünden genau, dass Kreativität auch
Freiheit braucht, manche eben nicht. Bei BMW seien es sicher 70 Prozent der Führungskräfte gewesen, die die Notwendigkeit
für solchen mutigen Ansätze verstanden hätten, bei VW weniger als die Hälfte.
Nur wenn Unternehmen ihren Mitarbeitern mehr Freiheit einräumten als bislang, seien sie international künftig wettbewerbsfähig
und hätten die Chance, neue Geschäftsfelder und Märkte erfolgreich zu erschließen. Liske: »Ohne Freiheit keine Kreativität
und schon gar keine Durchbruchsinnovationen – es besteht die Gefahr, dass es vielen deutschen Firmen auch zukünftig nicht
gelingen wird, ihre behördenspießigen und provinziellen Muster abzulegen. Deutschland hat ein unglaubliches Kreativitätspotenzial«,
so Liske, »aber in den meisten Unternehmen wird das nicht annähernd gehoben – sie tun sich schwer, ihr Korsett der Mittelmäßigkeit
abzulegen.«
Das sture Festhalten am Status Quo ist seiner Meinung nach fatal: »Sie werden heute auch in Deutschland keinen guten Kopf
zum Beispiel in den Bereichen Design oder Marketing bekommen, wenn Sie ihm nicht ein Package mit entsprechenden Freiheitsgraden
anbieten. Bei VW ist es bis heute nicht möglich, einen halben Heimarbeitsplatz zu haben. Das ist komplett anachronistisch.«
Liske hält viel von Sabbaticals: »Bei BMW habe ich das selbst in Anspruch genommen: du ziehst ein oder zwei Jahre brutal durch
und danach |138| hast du vier Monate oder länger frei.« Alle zwei Monate mal zwei Wochen zu haben, in denen man sich zurücknehmen kann, sei
auch schon viel wert. Solch hyperflexible Arbeitszeiten verhindern natürlich in der Regel die Gewerkschaften. Bei Moonraker
gab es, so Liske, keine festen Urlaubs- oder Arbeitszeiten, aber »das war nur über einen Trick möglich – alle hatten amerikanische,
speziell adaptierte Arbeitsverträge, ich habe sie also dem deutschen Arbeitsrecht quasi entzogen.«
Zwar seien elitäre Leuchtturmprojekte wie Moonraker und Deep Blue wichtig für große Innovationsschübe. Doch das sind natürlich
Ausnahmen für wenige – und tatsächlich kann es eigentlich nicht verwundern, wenn die Kollegen zu Hause angesichts derartiger
Extras neidisch werden. Darum, sagt Liske, sollten generell alle Mitarbeiter in einem Konzern 20 bis 30 Prozent ihrer Arbeitszeit
in selbstbestimmten Projekten arbeiten dürfen: »Sie müssen die Freiheit haben, ihr Alltagsgeschäft umzugestalten. Mit einer
anderen Atmosphäre, mit mehr Inspiration und einer besseren Work-Life-Balance.« Klingt schon wieder nach Science Fiction?
Nicht bei den Unternehmen, um die es als nächstes gehen soll.
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Tüftlerzeit bei Google
Wer für Google arbeitet, bekommt nicht nur – wie wir am Anfang des Buches gesehen haben – umsonst Eiscreme und Massagen, sondern,
sofern er für den Internet-Konzern neue Geschäftsmodelle finden soll, vor allem den guten Rat, aus Prinzip blau zu machen.
Alle Entwickler und Ingenieure dürfen einen Tag pro Woche an Spaßprojekten jenseits des Tagesgeschäfts werkeln. Bei dem
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