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Morgen letzter Tag!

Morgen letzter Tag!

Titel: Morgen letzter Tag! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Süß
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wollte. Heute aber ist ein Gutmensch einer, der die egozentrierten Wohltaten der Wunschmaschine nicht an erster Stelle seiner Daseinsprioritäten stehen haben will. Also doch auch ein idiotes – einer, der sich außerhalb der Gemeinschaft stellt, heute eben der Gemeinschaft der Konsumierenden.
    Und Denken? Das ist ohnehin verdächtig. Man versteht die Denker kaum und hat das nicht unberechtigte Gefühl, dächte man nach, hätte man jede Menge Probleme, die man ohne denken nicht hätte. Und haben nicht gerade die Denker, die Wissenschaftler mit dem unablässigen Strom des Wissens, den sie geschaffen haben, all die Probleme unserer hochtechnisierten Welt erzeugt? Sicher, wir verdanken ihnen alles. Unseren Wohlstand, unsere relative Freiheit und all die anderen Annehmlichkeiten des modernen Lebens. Aber es kommt kaum Dankbarkeit auf. Die Vorstellung, die Wissenschaft könne einen Menschen glücklich machen, ist wohl nur eine Spezialmeinung, die die wissenschaftliche Gemeinde kaum verlässt.
    Der Unterschied zwischen der heutigen Glückssuche und der des Aristoteles ist fundamental. Damals sollte man glücklich sein. Heute will man das Glück haben. Damit ist es ein Produkt geworden.
    Und wir? Wir sollen nur kurzzeitig befriedigt, ansonsten aber von ständiger Sehnsucht angetrieben werden. Die Sehnsucht ist die Grundemotion, die den Konsumenten bewegt. Die Sehnsucht nach dem perfekten Produkt, das die perfekte Identität verleiht, mit dem perfekten Preis-Leistungs-Verhältnis. Der Konsument soll also eigentlich nicht glücklich sein, sondern sich immer in einem Zustand kurz vor dem Glück befinden. Wenn ich das noch habe, dann… vielleicht? Und diese Systematik ist inzwischen so tief in unsere Verhaltensnormen eingepflanzt, dass wir auch uns und unser Umfeld nach Marktkriterien betrachten. Was bringt mir diese oder jene menschliche Beziehung? Wie viel habe ich in sie investiert? Wo gibt es eine bessere Beziehung, die mir mehr bringt? Wenn es sie gibt, kann ich die alte schuldgefühlfrei fallen lassen– immerhin war sie nicht optimal. Ebenso wenig wie mein altes Handy. Das neue kann mehr. Die Flatrate ist besser.
    Und wir sind auch selbst zu Produkten geworden. Wir versuchen uns zu optimieren, um auf dem Markt bestehen zu können. Um attraktiv zu bleiben oder zu werden. Und wir können uns auch gar nicht mehr vorstellen, dass man das jemals anders gesehen haben könnte. Oder wir glauben, hätte man früher andere Kriterien gehabt, um das Miteinander zu bewerten, dann wären das eben Euphemismen und Lebenslügen gewesen. Aber in Wirklichkeit wäre die Welt der Menschen immer schon so strukturiert gewesen wie jetzt. Nur wussten sie es früher halt nicht.
    Wir kaufen, kaufen, kaufen
    All das, was wir nicht brauchen, brauchen, brauchen
    Wir ziehen uns das Neue rein, Neue rein
    Sonst können wir nicht glücklich sein, glücklich sein
    Und kaufen wir zu spät, zu spät
    Verlieren wir Identität, Identität
    Entität.
    Allerdings funktioniert die große Wunschmaschine längst nicht fehlerfrei. Nicht alles das, was angedacht wird, um uns zu beglücken, funktioniert auch. Wir sind eben doch noch komplizierter als die Elementarteilchen. Wir sind nämlich nicht berechenbar. Oder vielleicht sind wir das grundsätzlich schon– die Philosophie streitet darüber seit Jahrtausenden–, nur eines ist klar: Auch wenn wir prinzipiell berechenbar sein sollten, dann hat noch keiner eine bündige Formel gefunden, die absolut funktioniert. Die Kino-Blockbuster sind ein gutes Beispiel. Es gibt da klare Kriterien, die ein Film erfüllen muss, um ein echter Erfolg an den Kinokassen zu werden. Es müssen große Stars verpflichtet werden, das Budget muss eine bestimmte Höhe haben, das Drehbuch, was Spannungsbögen und Figurentwicklung anbelangt, nach genau definierten Mechanismen ablaufen. Und dennoch, zwei von drei Hundert-Millionen-Dollar-Produktionen wollen die Massen lieber doch nicht sehen. Warum? Keiner weiß es. Wüsste es einer, wäre der in kürzester Zeit sehr, sehr reich und mächtig. Nun, da ich nicht sehr reich und mächtig bin, weiß ich es auf jeden Fall schon mal nicht. Schade.
    (Kleiner Hinweis: Falls mal irgendjemand auf Sie einteufeln sollte, er wisse genau, was die Menschen wollen und wie etwas aufgezogen sein muss, um anzukommen, und die auf Sie einteufelnde Person ist kein Self-made-Multimillionär– glauben Sie ihm kein Wort. Er hat keine Ahnung.)
    Auf der anderen Seite ist es schon durchaus beruhigend, dass auch die

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