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Morgen letzter Tag!

Morgen letzter Tag!

Titel: Morgen letzter Tag! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Süß
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Art und Weise betrifft, wie die Geschichte erzählt wird.
    Als Bram Stoker die berühmte Geschichte von » Dracula« Ende des 19 . Jahrhunderts veröffentlichte, waren Gut und Böse noch klar definiert. Der Vampir war das andere. Der Feind. Seine Schuld war die skrupellose Übertretung der Sexualnormen, verbunden mit dem totalitären Machtanspruch eines mittelalterlichen Despoten, der einfach nicht in den Aufbruchsgeist des anbrechenden 20 .Jahrhunderts zu passen schien. Freilich ein Irrtum. Sollte sich doch die historische Vorlage für Stokers Dracula, der grausame Herrscher Vlad Tepes, genannt Vlad Dracul, genannt Vlad der Pfähler, als Waisenknabe herausstellen gegen das, was das 20 . Jahrhundert an Scheußlichkeiten zu bieten haben würde. Doch das konnte Stoker im Jahr 1897 , als Dracula veröffentlicht wurde, noch nicht wissen. Da war Vlad Dracul durchaus eine passende Figur, um abgründige Grausamkeit darzustellen. Hatte doch angeblich Vlad Dracul, bis heute in seiner Heimat gerühmt und verehrt als Verteidiger des Glaubens, den Vormarsch der Türken nicht dadurch gestoppt, dass er den Muselmanen in der Schlacht mutig entgegengetreten war. Er soll Tausende seiner eigenen Leute gepfählt haben (vielleicht eine der scheußlichsten und sexuell pervertiertesten Mordmethoden überhaupt), die er wie einen Wald von Gepfählten dort aufstellen ließ, wo die Armee der Türken entlangkommen sollte. Unnötig zu sagen: Die Türken sollen kehrtgemacht haben, als sie dieses Fanal des Schreckens gesehen haben. Sie waren wohl der Fehleinschätzung erlegen zu glauben, einer, der so etwas seinen eigenen Leuten antue, werde seinen Feinden noch viel schlimmer zusetzen. Daran, die Bevölkerung, die ihren Herrscher ja hassen musste, auf die eigene Seite zu ziehen und als deren Befreier aufzutreten, hatte offenbar niemand gedacht. Außerdem verkannten die Türken offensichtlich, dass eine solche Schreckenstat die Tat eines Feiglings sein musste, der anstatt eine feindliche Armee zu bekämpfen, lieber sein eigenes Volk geißelte. Gut, vielleicht sind viele der Schilderungen von Vlads Grausamkeit auch Propaganda. Die Geschichte ist Vergangenheit, und die wird zu der Geschichte, die erzählt wird. In diesem Fall zu einer Gruselgeschichte. Wirklich überprüfbar ist wenig. Für Bram Stoker aber war die Figur, zusammen mit dem rumänischen Volksglauben an Vampire, tauglich, um seinen Romanbösewicht zu erfinden. Einen jahrhundertealten Vampir und Herrscher, der sich vom Blut seiner eigenen Untertanen nährt. Einen Untoten, den man nur durch die Gräueltat zur Strecke bringen kann, durch die er berühmt geworden ist. Man muss ihn pfählen (wenn auch durch die Brust ins Herz). Als sich nun der junge Advokat Jonathan Harker auf osterweiterte Geschäfte mit dem alten Adligen einlässt, wird er unversehens zu dessen Opfer.
    Doch der Grundtenor von Stokers Geschichte ist keine politische Warnung, sich nicht mit wilden Fremden aus dem Osten einzulassen. Es geht um Sex. Das Böse ist eigentlich eine virale Ansteckung mit entgrenzter fordernder Sexualität von ehedem keuschen Frauen, die, nachdem der Graf sie zu seinen Werkzeugen gemacht hat, als übersexualisierte Wiedergängerinnen das Licht des Tages scheuen.
    Und was passiert, wenn man plötzlich sinnlich und nachtaktiv geworden ist? Kurz darauf will man das Blut von Kleinkindern trinken. Ein Spätausläufer der viktorianischen Sexualmoral. Das Böse ist, wieder einmal, die Frau. Wenn auch ihres eigenen Willens beraubt. Diesem Bösen steht der Grenzwissenschaftler van Helsing gegenüber. Eine klare Angelegenheit. Was uns Angst macht, ist der Einbruch der fruchtlosen unkontrollierten Sexualität in eine übersichtliche und geordnete Welt des Anstands. Doch der Unzucht wird Einhalt geboten, indem man das Böse durch einen pervertierten sexuellen Akt bannt; das Herz wird mit einem Holzpflock durchbohrt. Hätte Stoker hier die historische Art des Pfählens gewählt, wäre die Strafe für sexuelle Übertretungen noch deutlicher geworden. Aber das war und ist zum Glück zu abartig, um derart unmittelbar dargestellt zu werden.
    Bis in die 1970 er-Jahre hinein wird dieses Thema der sexuellen Übertretung das Grundthema der Vampirfilme sein. In den berühmten Hammer-Produktionen mit Christopher Lee als bissigem Graf und Peter Cushing als dessen moralischem Gegenspieler geht es immer darum, Frauen vor der Sexualität zu retten. Und das, obwohl die sexuelle Revolution längst im Gange war. Das gab den

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