Morgen letzter Tag!
jungen, megamächtigen Cyborgs und den trockenen Festplattenbewohnern, wenn der Strom ausfällt? Sie ahnen es…
Die Bedrohung durch Zombies
Zombies stehen für die andere großformatige Entwicklung, auf die wir zusteuern: den totalen Zusammenbruch des Sozialen. Lange hatten Zombies eine andere Funktion. Der Begriff kommt ursprünglich aus dem Voodoo-Glauben Haitis und bezeichnet eine lebende Leiche, über die der Voodoo-Priester absolute Macht hat. Diese exotische Gruselgeschichte aber hat sich nicht im Kanon der neuzeitlichen Horrorsagas verankern können. Die Zombies sind zu etwas gänzlich anderem mutiert. Auch der Zombie hat sich– wie der Vampir– im Lauf der Jahre total verändert.
Genealogisch lässt sich die Figur des modernen Zombies interessanterweise auf einen Vampir-Roman zurückführen: auf »I am Legend« (dt. »Ich, der letzte Mensch«), von Richard Matheson aus dem Jahr 1954 . Die Hauptfigur Robert Neville ist der letzte verbliebene Mensch in einer Welt der Vampire. Der Vampirismus wird hier über einen Virus verbreitet. (Diese Idee der viralen Infektion mit dem Bösen wird für die Vampir-Geschichten und für die Zombie-Filme im Folgenden bestimmend bleiben.) Robert hat sich in seinem Haus verbarrikadiert. Tagsüber fährt er durch das menschenleere Los Angeles der 1970 er-Jahre, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen und den ein oder anderen schlafenden Vampir zur Strecke zu bringen. Der weitere Verlauf der Handlung ist für unsere Überlegungen nicht so wichtig; eine kurze Skizze genügt. Neville versucht eine Heilung für die Vampire zu finden, was misslingt. Schlussendlich findet er eine Frau, die wie er bei Tageslicht unterwegs sein kann und deswegen offenbar nicht vom Vampir-Virus verseucht ist. Doch Neville täuscht sich. Die Frau ist infiziert. Sie hat jedoch eine Pille gefunden, die es ihr möglich macht, die Vampir-Erkrankung einzudämmen. Am Ende ist Neville tatsächlich der letzte Mensch. Die Evolution geht über ihn hinweg. Er erkennt, dass er selbst der andere, der Außenseiter, der Feind ist. Die Mehrheit bestimmt, was normal ist, und inzwischen ist es eben normal, ein Vampir zu sein. Neville stirbt.
Was wird nun in dieser trashigen Geschichte tatsächlich verhandelt? Wofür stehen die Vampire? Lauschen wir einem inneren Monolog der Hauptfigur, die über ihre Todfeinde nachgrübelt: » Vielleicht ist es die Schuld eines Vampirs, wenn einem das Herz hämmert oder sich einem die Haare aufstellen. Aber ist er schlimmer als die Eltern, die der Gesellschaft ein neurotisches Kind schenkten, das zum Politiker wurde? Ist er schlimmer als der Fabrikant, der eine Stiftung mit dem Geld errichtete, das er mit Waffenlieferungen an selbstmörderische Nationalisten erwarb?…– ist der Vampir wirklich so schlimm? Er trinkt doch nur Blut. Weshalb also dieses unduldsame Vorurteil? Weshalb kann der Vampir nicht leben, wo es ihm gefällt? Warum muss er sich in Verstecken verkriechen, wo ihn keiner finden kann? Weshalb wollt ihr ihn vernichten? Seht ihr, ihr habt den arglosen Unschuldigen zum gehetzten Tier gemacht. Man gibt ihm keine Möglichkeit, für seinen Unterhalt zu sorgen, für eine anständige Ausbildung, er hat kein Stimmrecht. Kein Wunder, dass er zum nächtlichen Raubtier wird. … Alles schön und gut, sagte er zu seinen Argumenten, aber würdest du deine Schwester einen heiraten lassen?« Also jetzt mal davon abgesehen, dass das doch recht mittelmäßige Literatur ist, ein paar Begriffe lassen aufhorchen: » Vorurteil«? Vampire haben » kein Stimmrecht«? Keine » anständige Ausbildung«? Und was ist, wenn so einer deine » Schwester … heiraten« will? Schnell wird klar: Der Vampir steht für den » Neger«. Die Angstfigur für den Amerikaner der 1950 er-Jahre. Auch damals konnten die Soziologen schon erkennen, dass die Schwarzen mehr Nachkommen zeugten als die weiße Bilderbuchfamilie mit den beiden blonden Kindern Jimmy und Jane. (Der Hund hieß Lassie.) Die Angst, die unterdrückte Minderheit der Schwarzen, die erstens so klein gar nicht war und sich zweitens rascher vermehrte als die Mehrheit, könne sich irgendwann gegen ihre Knechtung erheben und die artigen Gartenzäune des Mittelstands einreißen, war Ursprung wachsender Paranoia.
Was ist mit dem Virus? Man infiziert sich mit dem Negertum, indem man ein » Nigger-Freund« wird. Ein Liberaler. Ein Bürgerrechtler. Das scheint auch die Funktion der Frau zu sein, der Neville schließlich begegnet. Auch sie ist zwar ein
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