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Morgen letzter Tag!

Morgen letzter Tag!

Titel: Morgen letzter Tag! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Süß
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Vampir, kann aber zunächst nicht als solcher erkannt werden. Sie ist die Vorbotin einer neuen Herrenrasse. Neville, der letzte Spross der ehemaligen Herrenrasse, muss sterbend einsehen, dass er nun der Außenseiter, der Feind ist. Er wird zur Legende.
    Diese Geschichte wurde durch ihre erste Verfilmung, mit Charlton Heston in der Hauptrolle ( » Der Omega-Mann«, 1971 ), zum Vorbild für die folgenden Zombie-Filme. Die bestimmenden Grundbilder sind: das Eingeschlossensein der letzten » beseelten« Menschen, die von Untoten umzingelt sind. Die leere, nutzlose Stadt. Und die virale Infektion mit ungezügelter Gewalttätigkeit. Schon » Die Nacht der lebenden Toten« von George Romero ( 1968 ) zeigte, wohin die Reise geht. Die Zombies gehen um und überfallen ihre Ex-Mitmenschen, um sie zu fressen. Hierin steckt schon der erste Hinweis auf die wahre Bedeutung des Zombie-Genres: Die Untoten essen einander nicht. Nur die noch Lebenden. Die Zombies sind also immer die anderen. Mit ihnen kann man sich, im Gegensatz zu den Vampiren, auf keinen Fall identifizieren. Denn würden sie sich gegenseitig fressen, hätten die wenigen Beseelten eine Überlebenschance. Sie könnten abwarten, bis die Zombies sich gegenseitig ausgelöscht hätten. Aber erstens käme so keine sinnvolle Handlung zustande, und zweitens hätten sich die Zombies, wäre ihr Fleisch noch begehrenswert, noch einen Rest an Wert bewahrt. Doch sie sind die total Wertlosen.
    Romeros » Die Nacht der lebenden Toten 2 « ( 1978 ) spielt in einem Einkaufszentrum. Hier haben sich die letzten Überlebenden vor den Zombies in Sicherheit gebracht. Jetzt haben sie also erst einmal ein wenig Spaß mit all den nun kostenfrei zugänglichen Konsumgütern. Doch retten kann sie das nicht. Schließlich müssen sie einen Ausbruch wagen, der in einer Orgie der Gewalt mündet. Wohlgemerkt aber in hauptsächlich vollkommen schuldgefühlfreier Gewalt gegen Zombies. Ex-Menschen. Menschenrudimente, mit denen man kein Mitgefühl zu haben braucht. Romero meinte damals, die Tatsache, dass er seine Horrorgeschichte im Einkaufszentrum ansiedelt, mache seine implizite Kapitalismuskritik klar. Nach dem Motto: Was nützt dir, oh Mensch, all dein Konsumplunder, wenn du von Zombies umzingelt bist? Der katholische »film-dienst« aber riet vom Kinobesuch ab mit der Begründung, die Zombies seien als die unterprivilegierten Massen zu sehen, die eben keinen Zugang zu Konsumgütern haben. Ihr genealogischer Ursprung, der sich, wie gezeigt, auf die vermeintliche Bedrohung durch die Schwarzen in den 1950 er-Jahren zurückführen lässt, stützt diese Deutung. Diese Unterprivilegierten deswegen gleich zynisch und lustvoll hinzuschlachten fand man nicht christlich. Ich tendiere durchaus dazu, der Deutung des katholischen »film-diensts« recht zu geben. Die Zombies sind die anderen. Die, die es nicht geschafft haben, im Wettkampf des kapitalistischen Systems ihre Identität als Konsumenten zu behaupten. Die Mehrheit. Nicht die Mehrheit in unserer Lebenswelt. Aber die Mehrheit der Menschheit global gesehen.
    Der Zombie ist also auf der einen Seite, ähnlich wie in Mathesons Geschichte, Ausdruck der Angst, die Unterdrückten könnten sich gegen uns erheben. Auf der anderen Seite ist der moderne Zombie-Film weiterhin Ausdruck einer noch schlimmeren Angst: Wir könnten Teil dieser Mehrheit der Menschheit werden. Wenn der Strom, der unser Luxusleben möglich macht, einmal ausfällt. Wenn also ganz radikal der Strom ausfällt, was ist dann? Wenn die Regale in den Supermärkten plötzlich leer sind? Wenn kein Wasser mehr aus den Leitungen kommt? Dann wird es schnell hobbes’sch. Dann ist nach Thomas Hobbes (geboren 1588 ) jeder seines Nächsten Wolf. Der Zombie-Film findet Bilder für die verwilderte Masse von Egoisten, die durch das Ende einer Zivilisation entsteht. Eine Masse, die auf ihren primitiven Fresstrieb reduziert ist.
    Die Zombies verkörpern, was wir werden, wenn alle sozialen Bande und Vereinbarungen aufgelöst worden sind. Wie zum Beispiel beim totalen Zusammenbruch der Zivilisation auf den Osterinseln. Der dort gängige Fluch, nachdem Hunger, Krieg und ausufernde Grausamkeit alle Regeln außer Kraft gesetzt hatten, lautete: » Das Fleisch deiner Mutter hängt zwischen meinen Zähnen.« Wer so etwas sagt, hat sich das Zähneputzen längst abgewöhnt. Das ist die sinnentleerte Grausamkeit, die auch der amerikanische Künstler Paul McCarthy in seiner umstrittenen Ausstellung » LaLa Land–

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