Morgenrot
auf das Ergebnis zu warten. Ihre Anwesenheit, mein Guter, gewährleistet immerhin, dass Ihre Leute motiviert genug sind, mich zu schützen.«
Schweigen breitete sich aus und ermöglichte es Lea, das Gehörte auszuwerten. Gerade als sie das Rätsel als unlösbar abhaken wollte, kehrte die Erinnerung zurück. Sie war plötzlich erleichtert darüber, dass sie bereits am ganzen Leib zitterte. Es brauchte nicht viel, um sich auszumalen, zu wem Macavity sie verschleppt hatte: Der Genetiker KizuAkinora hatteseinen Judasschilling erhalten, und Pi würde endlich das Geheimnis lüften, das ihm solches Kopfzerbrechen bereitete. Sie lag - vollkommen ausgeliefert - ein paar Schritte von ihm entfernt, außerstande, auch nur den geringsten Widerstand zu leisten.
Vor Schreck hätte sie fast ihre Augen aufgerissen, die jedoch nicht reagierten. Bestimmt war es besser, weiterhin die bewusstlose Beute zu spielen. Denn was konnte sie mit diesem betäubten Körper schon anfangen? Protest oder gar Flucht waren in diesem Zustand ausgeschlossen. Deshalb würde sie einfach weiterhin zuhören und sich ein Bild von der Lage machen.Vielleicht reichte Akinora ja eine einzige Probe ihres Blutes, sprach sie sich Mut zu. Schließlich beabsichtigte er, auf höchst wissenschaftlichem Niveau ihrem Blut ein paar Informationen zu entlocken. Sicherlich würde man sie später betäubt auf einer Parkbank zurücklassen. Natürlich unversehrt, damit Akinora sich gegebenenfalls Nachschub besorgen konnte. Aber sicher doch!, höhnte die Zynikerstimme in Lea. Bestimmt bietet Akinora dir nach der Blutspende noch ein Portion Erbsensuppe an, damit du wieder auf die Beine kommst.
Die Situation war hoffnungslos. Lea rechnete fest damit, vor Panik gleich zu hyperventilieren, aber ihre Brust hob und senkte sich weiterhin so regelmäßig, als liege sie zu Hause in ihrem Bett, während Minou dicht neben ihr schnurrte. Erstaunt registrierte sie, dass ihr Körper offensichtlich von ihren Gefühlen losgelöst war. Er atmete, schluckte und zitterte mit einer roboterhaften Gleichmäßigkeit, ohne auf den Zustand des Geistes Rücksicht zu nehmen.
»Ich begreife immer noch nicht ganz, warum Sie sich so sehr für meinen Sponsor interessieren.Von seiner Seite droht Ihnen doch keinerlei Gefahr«, sprach Akinora wieder. »Wenn ein Interesse bestehen würde, wäre er sicherlich schon an Sie herangetreten -schließlich sind Sie unter Ihresgleichen bekannt wie ein bunter Hund, wenn Sie mir den Vergleich verzeihen.«
»Reine Prävention. Wenn jemand in unserer Welt solch hohe Wellen schlägt, ist es besser, gründlich informiert zu sein.«
Obwohl die Stimmen weiterhin verzerrt an Leas Ohr drangen, wusste sie doch sofort, wem diese eine gehörte. Weich und kühl zugleich. Pi hatte also beschlossen, die Beute höchstpersönlich zu schlagen, auf die Adam verzichtet hatte.
Wie wunderbar sich der Kreis für die alte Spinne nun schloss: Nadine würde sich nach ihrer Nacht mit Macavity gründlich überlegen, ob ihr Ego die Gefahr eines erneuten Zusammentreffens mit diesem Sadisten wert war. Lea befand sich dort, wo der Schlachtplan sie ursprünglich vorgesehen hatte - in den Forscherhänden Akinoras. Pi erhielt die Informationen über den geheimnisvollen Unbekannten, und Adam würde denken, dass sie sich erneut von ihm abgewandt hatte, nachdem sie, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, verschwunden war. Es stand zu befürchten, dass er tief verletzt war und gar nicht erst auf die Idee kam, nach ihr zu suchen.
Akinora ließ erneut sein gackerndes Lachen hören. »Hohe Wellen? Ich bitte Sie! Wenn dieser Bluthund nicht so versessen an seiner Fährte festgehalten hätte, wären Sie doch niemals auf meinen Sponsor aufmerksam geworden. Ein paar Gerüchte hier und da - wer hätte da schon ein Muster erkannt, wo Ihresgleichen doch so unnachahmlich mit sich selbst beschäftigt ist. Das ganze Ausmaß wäre Ihnen doch erst bewusst geworden, wenn Sie selbst Gegenstand seines Interesses geworden wären. Und dann wäre es zu spät gewesen.Wenn Sie Ihren Vorgarten sauber halten wollen, solltenSie einfach diesenAdam beseitigen. Scheint mir ein wenig außer Kontrolle geraten zu sein, der Gute.«
»Sehr freundlich, dass Sie sich meinen Kopf zerbrechen.« Pis Stimme gewann zunehmend an Kontur, und Lea glaubte eine gewisse Schärfe herauszuhören. Ein Warnschuss. »Aber wie Sie schon sagten: Adam ist ein Bluthund. Aufseiner Suche nach dieser Frau wird er zuerst die naheliegendsten Orte absuchen - zum
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