Morgenrot
ihr hinausgeholfen hatte. Nach wie vor mied er direkten Blickkontakt, aber die Art, wie er sie das Treppenhaus hinaufscheuchte, kam ihr verdächtig vor. Kaum standen sie im schmalen Wohnungsflur, stieß Adam mit dem Absatz seines Schuhs die Eingangstür zu und streifte Lea mit einem geschickten Griff den Mantel von den Schultern. Mit beiden Händen fuhr er über den zarten Stoff, der ihre Hüften umspannte. Im nächsten Augenblick versenkte er das Gesicht in ihrer Mulde zwischen Hals und Schulter, während seine Finger den Verschluss des Kleides betasteten.
»Muss ich jetzt dafür herhalten, dass dieser Abend noch einen Sinn bekommt, nachdem Akinora sich unversehens aus dem Staub gemacht hat?«
Lea bemühte sich redlich darum, verbittert zu klingen, doch Adam ließ sich nicht täuschen. Anstelle einer Antwort schaute er ihr erwartungsvoll in die Augen. Der abweisende Zug war aus seinem Gesicht gewichen und an seine Stelle war etwas Neckendes, Spielerisches getreten. Schlagartig stand Leas Körper unter einer Spannung, die sie zu zerreißen drohte.
Während Adam den Reißverschluss öffnete, dachte Lea unwillkürlich an die Dessous, die im Moment noch vom Stoff des Kleides verdeckt wurden. Eine der fliederfarbenen Schachteln hatte nämlich schwarze Spitze enthalten. Als sie den durchsichtigen BH begutachtet hatte, war sie froh gewesen, dass Megan solch einen abgehetzten Abgang hingelegt hatte.
Bis zum letzten Moment hatte sie mit sich gerungen, ob sie dieses Zeug anziehen oder es im hohen Bogen in den Mülleimer befördern sollte. Sie hatte sich beschämt und erregt zugleich gefühlt. Ihre Schubladen waren bislang strikt für helle Baumwolle reserviert gewesen, durchsetzt mit rosafarbenen Tupfern. Trotzdem war es natürlich lächerlich, wegen dieses Häufleins feinen Nichts die Contenance zu verlieren.Vor allem, da Megan die Wäschestücke gewiss nur beigefügt hatte, weil sie an das perfekte Outfit glaubte und nicht etwa, weil sie Adam eine besondere Freude machen wollte. Oder weil Adam es sogar aufgetragen hatte ... Diesen Gedanken hatte Lea in ihrem Büro schnell beiseitegeschoben, denn sie hatte auf jeden Fall vermeiden wollen, dass ihr die feministisch angehauchte Stimme in ihrem Inneren befahl, die Wäsche augenblicklich in Brand zu setzen. Aber worüber machte sie sich Sorgen? Schließlich hatte Adam ihr einmal erzählt, dass er sich nichts ausÄußerlichkeiten machte. Dabei hatte sie mit behutsamen Fingern das Sternenmuster der Spitze betastet.
Als Adam ihr nun das Kleid vom Körper strich und es achtlos auf den Boden fallen ließ, biss sie sich trotzdem vor Scham auf die Lippen. Adams Reaktion machte die ganze Sache nicht unbedingt besser: Er trat einen Schritt zurück und betrachtete sie ausgiebig, wobei ihm die Augenbrauen verblüfft in die Höhe rutschten. Offensichtlich hielt er weiße Baumwolle doch für das Gewagteste an Wäsche, die eine anständige Frau tragen durfte. Es hätte Lea in diesem Augenblick nicht überrascht, wenn er pikiert mit dem Finger auf sie gezeigt hätte. Das tat er dann auch - allerdings auf verbale Weise.
»Was ist das?«
Er machte sich nicht die Mühe, die Rauheit in seiner Stimme zu überspielen. Offensichtlich waren ihm Äußerlichkeiten doch nicht so gleichgültig. Lea konnte ihm deutlich ansehen, wie er einen inneren Kampf ausfocht - Ekstase oder Wutanfall? Leider schien Letzteres zu siegen.
»Willst du mich etwa verführen, Lea? Falls du das vorhaben solltest, kannst du mir vertrauen: Das Ergebnis würde dir nicht gefallen! Es wäre besser, wenn du dich zurückhalten würdest, statt mich auch noch aufzumuntern.«
»Aber die Dessous hat doch Megan angeschleppt«, hielt Lea wenig überzeugend dagegen.
In diesem Augenblick hätte sie viel dafür gegeben, sich mit einem »Paff« in Luft auflösen zu können. Während sich ihr Körper unter Adams missbilligendem Blick verspannte, wallte Enttäuschung in ihr auf. »Als ob ich großartig irgendetwas getan hätte«, fuhr sie mutiger fort, als sie sich fühlte. »Du musst aus einem der vorherigen Jahrhunderte stammen, so entsetzt, wie du mich gerade musterst. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass ein moderner Mann eine Frau so behandeln würde, weil sie aufregende Wäsche trägt. Und was geht dich überhaupt meine Unterwäsche an? Mein Duft dürfte wohl kaum durch das bisschen Spitze beeinträchtigt werden. Und etwas anderes als mein Geruch scheint dich eh nicht zu interessieren. Ich langweile dich ja sogar so sehr,
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