Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung
Rose. Becky.»
«Freut mich ehrlich, Sie kennenzulernen», sagte Mr. Grebbie und schien es auch wirklich so zu meinen. Sein Händedruck war schlaff und feucht. «Hoffentlich störe ich nicht», sagte er.
«Aber keineswegs», versicherte Becky. «Alle Freunde von Bobs...» Alles, was Hosen anhat, willst du wohl sagen, dachte Rose. Gleichzeitig aber dachte sie, daß Becky enttäuscht sein mußte. Mr. Grebbie war keineswegs ihr Typ. Er mußte an die Vierzig sein und hatte bereits angegrautes
Haar. Graues Haar, graue Hautfarbe, grauer Anzug, graue Persönlichkeit. Und außerdem der erste Mann, der sich mehr für sie als für Becky zu interessieren schien. Er machte sogar den Eindruck, als würde er das Weite suchen, wenn Becky versuchen sollte, sich ihm zu nähern. Zu Rose aber sagte er: «Bobs hat mir erzählt, daß Sie auch Lehrerin sind.»
Zum erstenmal lächelte sie ganz entspannt. «Ein gräßlicher Beruf, nicht wahr?»
Er erwiderte ihr Lächeln zögernd und resigniert. «Ja. Gräßlich.»
«Man muß nur streng sein. Ihnen zeigen, wer der Stärkere ist», sagte Bobs und schenkte Becky ein strahlendes Lächeln. «Dann klappt alles wie am Schnürchen.»
Opa stapfte in die Vorhalle. «Was, da ist ja Mr. Robson! Fröhliche Weihnachten.» Er schüttelte ihm herzhaft die Hand und fragte ihn besorgt: «Sie müssen doch nicht schon wieder gehen? Wie wär’s mit einem Gläschen Sherry?»
«Ich... ich...» begann Bobs. Aber Rose half ihm. «Mr. Roberts wird heute bei uns bleiben. Ich hab’s dir doch erzählt, Vater.»
Zwei vorwurfsvolle gelbliche Augen hefteten sich auf sie. «Niemals! Keiner hat mir was davon gesagt. Kein Mensch in diesem Hause sagt mir jemals etwas. Es ist zwar zufällig mein Haus, aber was die Rücksichtnahme auf mich anbelangt, so könnte es ebensogut ein gottverdammtes Hotel sein. Ein ewiges Kommen und Gehen...» Er wandte sich wieder an Bobs. «Sie sind mir natürlich willkommen, mein Lieber.»
Mr. Grebbie hatte unterdessen ziemlich erfolgreich im Dämmer der Vorhalle Deckung gesucht. Aber jetzt sah er zu seinem größten Unbehagen Opas Blick auf sich gerichtet. «Junger Mann, Sie brauchen sich dahinten nicht im Dunkeln zu verkriechen», sagte Opa freundlich. «Kommen Sie doch her und lassen Sie sich anschauen.» Mr. Grebbie wagte sich ein paar Schritte vor und lächelte nervös.
Rose stellte vor: «Mr. Grebbie, Bobs’ Freund, der eine Motorradpanne hatte.»
«Ich vermute, daß ich darüber auch genau informiert worden bin», sagte Opa sarkastisch.
«Ja.» Rose klang kriegerisch.
Opa warf ihr nur einen Blick zu. «Unsinn. Aber trotzdem fürchte ich, daß ich langsam alt werde. Hängt mich nur in den Rauchfang, dann braucht ihr mich überhaupt nicht mehr zu fragen.»
«Ich hab’s dir aber erzählt», verteidigte sich Rose.
«Mein liebes Kind, willst du etwa behaupten, ich sei schon vertrottelt? Na, wie dem auch sei. Herzlich willkommen in der Stadthalle, junger Mann. Sie sind wohl auch eine Eroberung von Becky, wie ich vermute. Na, geduldige Schafe gehen viel in einen Stall.» Er hakte Bobs unter und ging mit ihm zusammen ins Wohnzimmer. Becky folgte ihnen, aber Rose fühlte plötzlich, wie jemand sie nervös am Ärmel zupfte. Sie drehte sich um und blickte in die verängstigten Augen von Mr. Grebbie. «Ich... ich sollte lieber nicht hierbleiben», stotterte er.
Rose sah ihn an. Und dann passierte etwas Merkwürdiges. Plötzlich überflutete sie eine Welle der Zärtlichkeit. Hier stand jemand vor ihr, der noch unscheinbarer und noch weniger für das Leben geschaffen war als sie. Um ihm etwas Selbstvertrauen zu geben, antwortete sie mit einer bei ihr sonst ungewohnten Sicherheit: «Natürlich bleiben Sie hier, Mr. Grebbie. Mein Vater ist im Grunde der freundlichste Mann der Welt. Er wäre sehr betrübt, wenn er den Eindruck gewinnen müßte, Sie irgendwie verletzt zu haben.»
Er sah noch immer besorgt aus. «Ich fürchte, ich... ich bin kein sehr geselliger Mensch. Menschen wie Ihre Schwester und Ihr Vater... sie sind schrecklich nett... aber sie machen mir eher Angst.»
«Ich nehme mich schon Ihrer an», sagte sie lächelnd.
«Na gut, wenn Sie wirklich glauben, daß ich nicht störe, will ich bleiben. Aber es ist mir wirklich unangenehm, hier so hereinzuplatzen.»
«Sie sind doch gar nicht hereingeplatzt», sagte sie. «Kommen Sie nur. Sonst trinkt man uns den ganzen Sherry weg.» Mit einemmal fühlte sie sich quicklebendig und glücklich; alle Schwere war von ihr abgefallen. Ihr
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