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Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Titel: Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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Bea genug. «Was machen wir jetzt?» fragte sie.
    «Wir essen zu Abend», sagte Jocelyn schnell.
    «Wir können doch noch nicht Abendbrot essen», sagte Tante Bea, «wir haben ja erst ein Spiel gespielt.»
    Becky machte einen nicht sehr überzeugenden Versuch, den Rock über ihre hübschen Knie zu ziehen. «Spielen wir doch », sagte sie.
    «Oh, sei doch nicht kindisch», sagte Rose. Aber Onkel Ben fand den Vorschlag großartig. «Den hab ich seit Jahren nicht mehr gespielt.» Dabei rieb er sich genüßlich die Hände, und seine Augen glitten über Beckys verführerisch junge Formen.
    «Wie spielt man denn ?» fragte Gaylord.
    Tante Bea erklärte: «Jemand geht vor die Tür. Dann zieht jeder eine Zahl; derjenige, der draußen ist, ruft eine Zahl, und der mit dieser Zahl muß hinausgehen.»
    «Und was passiert dann?»
    «Dann küssen sie sich draußen.»
    Das hätte ich mir denken können, dachte Gaylord. Immer derselbe Quatsch. Er hatte schon das Schreibspiel mit ungläubigem Staunen verfolgt und es für einen absoluten Tiefpunkt der Erwachsenen-Idiotie gehalten. Aber ihm wurde nun klar, daß es noch schlimmer kommen konnte. Wie ihn ja überhaupt das Benehmen der Erwachsenen meistens überraschte und deprimierte. Aber am heutigen Abend wollten sie sich anscheinend selbst übertreffen.
    «Ich geh zuerst raus», sagte Becky.
    «Das könnt ich mir denken», sagte Rose.
    Becky ging hinaus. Und rief Gaylords Zahl auf.
    Er ging in die Vorhalle. Tante Becky stand lächelnd unter dem Mistelzweig. Als sie sah, wer da zu ihr herauskam, kniete sie sich hin und streckte beide Arme aus. Gaylord ließ sich hineinfallen und fand hier Trost für seinen schmerzenden Körper und seine geschundene Seele. Becky lächelte nicht mehr. Als sie den Kuß auf seine zarten Kinderlippen drückte, sah sie ihn besorgt an. «Was hast du denn, mein Kleiner?» flüsterte sie.
    Er schüttelte den Kopf, als er sich an sie schmiegte, und spürte dabei etwas von dem Frieden, den abgekämpfte Männer bei zarten und wohlriechenden Frauen finden. Dann richtete er sich auf und preßte einen Augenblick lang seinen Kopf gegen den weichen Stoff ihres Kleides. Sie fragte: «Was willst du für eine Zahl haben?»
    «Sieben», sagte er.
    Becky grinste ihn verschmitzt an und ging zurück ins Zimmer. Kurz darauf kam Tante Rosie in die Halle.
    Tante Rosie war nicht nach Gaylord zumute. «Hallo, Gaylord», sagte sie. «Willst du mich küssen?»
    «Eigentlich nicht», sagte Gaylord.
    «Das beruht auf Gegenseitigkeit», sagte Tante Rosie.
    «Was heißt auf Gegenseitigkeit?»
    «Das heißt, das ganze Spiel ist blöde.»
    «Finde ich auch», sagte Gaylord. «Soll ich ihnen denn dann eine Zahl von dir sagen?»
    «Ich glaube, es bleibt uns nichts anderes übrig», sagte Rose scheinbar gleichgültig. «Fünf.»
    Gaylord wanderte ins Zimmer zurück. Rose wartete. Die Tür öffnete sich. Stan Grebbie drückte sich schüchtern in die Halle und sah dabei so ängstlich aus wie eine viktorianische Braut in der Hochzeitsnacht. Oh, das ist ungeheuerlich, dachte Rose. Hier müssen sich zwei Erwachsene der peinlichsten Situation aussetzen, nur weil Weihnachten ist und Bea und Ben idiotische Spiele spielen wollen. «Lassen wir’s gut sein, Mr. Grebbie», sagte sie. «Wir müssen das nicht alles bis zum bitteren Ende mitmachen, wissen Sie.»
    Er lächelte sie mühsam und etwas gequält an. «Sie sind sehr verständnisvoll, Miss Pentecost. Man will ja natürlich nicht ungalant erscheinen. Aber wir sind... ich bin ein bißchen zu alt für solche Spiele, finden Sie nicht auch?»
    «Armer Mr. Grebbie», sagte sie. «Ich fürchte, daß dieses Weihnachten eine rechte Nervenprobe für Sie ist.» Sie lachte befreit. Es war so merkwürdig, daß seine Schüchternheit ihr Selbstvertrauen stärkte.
    «Ein höchst angenehmes Weihnachten», beteuerte er. «Und ich möchte Ihnen recht herzlich für all ihre Freundlichkeit danken. Sie waren eine... eine wahre Säule für mich.»
    «Ich?» Rose lachte noch immer. «Aber ich bin doch die schwächste Person unter der Sonne.»
    «Nicht für mich», sagte er. «Ich finde, Sie sind... ein großartiger Mensch.»
    Das Blut schoß ihr in die blassen Wangen. Sie wirkte auf einmal größer, aufrechter. «Das ist das schönste Kompliment, das man mir jemals gemacht hat», sagte sie ruhig.
    «Aber es ist die Wahrheit», sagte er. Er machte einen Schritt auf die Tür zu und spielte mit dem Türknauf. Er

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