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Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Titel: Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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jungen Mann, ehe es zu spät ist!>»
    «Dann haben sie wohl beide gescherzt», sagte Mummi.
    «Nein, bestimmt nicht. Das war an dem Tag, als Tante Rosie ihren Liebhaber erstach.»
    Alle fingen an zu lachen und noch lustiger draufloszuschwatzen, in Gedanken aber beschäftigte sie dieser äußerst sensationelle Einblick in das Leben auf dem Zypressenhof. Mummi flüsterte Paps zu: «Das wird ihnen für mindestens neun Monate Gesprächsstoff geben.» Aber Paps sagte: «Neun Monate! Meine liebe May, selbst wenn Becky mit neunzig Jahren kinderlos stirbt, werden sie immer noch das schlimmste denken.»
    Aber für Rose war das Ganze gar nicht komisch. Schlimm genug, daß die Familie mit angesehen hatte, wie sie die Fassung verlor. Aber daß dieses niederträchtige Kind es vor der halben Gemeinde ausposaunen mußte... Ohne ein Wort schlich sie hinauf auf ihr Zimmer, schleuderte ihren lächerlichen Hut auf den Fußboden und beobachtete mit bitteren Gefühlen, wie die lachenden Narren, einer nach dem anderen, in ihren blitzenden Autos davonfuhren.

    19
     
    In den Sommerferien fuhren Mummi und Paps mit Gaylord immer nach Wales in das gleiche kleine Bauernhaus zwischen den Bergen und dem Meer. Paps hatte dabei immer ein schlechtes Gewissen. Da lebte er nun in einem Zeitalter, in dem sich ihm die Welt, oder zumindest ganz Europa, wie eine geöffnete Auster darbot, und er nahm törichterweise mit etwas vorlieb, was einem schon seit hundert Jahren erreichbar war. Aber er fand es eben immer wieder herrlich.
    Oft, wenn er im Abenddämmer auf einem moorigen Weg stand, dachte er: Jetzt könnte ich auf den Champs-Elysées meinen Wein schlürfen oder das Colosseum bewundern. Wenn er dem schläfrigen Murmeln des Meeres, dem Trommeln des Regens oder dem Wohllaut walisischer Stimmen lauschte, dachte er: Jetzt könnte ich den Klang der Kastagnetten hören oder mich dem Rausch großer Musik in Bayreuth, Paris oder Wien überlassen. Andererseits war er sich bewußt, daß er dann nicht das starke, innige Gefühl der Wiedersehensfreude empfinden könnte, mit dem man an einen geliebten Ort zurückkehrt: Die Freude, schon beim Öffnen der Tür vom Duft der Geranien begrüßt zu werden, vom Geruch der Petroleumlampe, der Holzscheite, der Feuchtigkeit von alten Zeitungen, gewachsten Böden und von der Atmosphäre von Jahrhunderten einfachen, erdgebundenen ländlichen Lebens. Er hätte auch nicht das Glück empfinden können, mit dem man müde von der Reise in das große breite Bett unter dem schrägen Dach stieg in der
    Gewißheit, daß eine herrliche Nacht voller Schlaf und ein langer Tag voller Mäßigkeit vor einem lagen.
    Und May liebte es auch. Die Ruhe, einmal nur zu Dritt zu sein, allein für sich, weit ab von der Familie. In diesem Jahr hatte das Haus noch einen weiteren Vorzug. Hier am Meer, weit weg von den Foggertys, konnte man Gaylord endlich wieder seine Freiheit genießen lassen. Mummi und Paps waren beide davon überzeugt, daß es für jeden kleinen Jungen nichts Herrlicheres gab, als auf den Wegen und Wiesen und am Strand Englands herumzustreifen. Obwohl es ihnen sehr schwergefallen war, hatten sie seine Wanderungen zu Hause ja doch beträchtlich einschränken müssen. Und beide waren entschlossen, hier in Wales alle Besorgnis fallenzulassen und ihm soviel Freiheit zu geben, wie ein Kind in seinem Alter nur erwarten durfte.
     
    Aber in anderer Hinsicht bedrückte May noch etwas. Sie selbst war vom Leben so reich beschenkt - Jocelyn, Gaylord und die Gnade und Verheißung des sich in ihr regenden kleinen Wesens. Und die arme Rose hatte nichts. Gar nichts.
    May sagte zu Jocelyn: «Ich habe darüber nachgedacht. Was hältst du davon, wenn wir Rose fragen, ob sie nicht mit uns kommen möchte. Sie ist doch schrecklich elend dran, das arme Ding.»
    «Vielleicht», sagte Paps hoffnungsvoll, «hat sie schon etwas anderes vor.»
    «Das bezweifle ich. Und es wäre für sie sicherlich nicht sehr lustig, allein mit Vater und Tante Marigold hierzubleiben.»
    Jocelyn überlegte. «Ich möchte lieber mit euch allein fahren», sagte er.
    «Ich ja auch. Es tut uns gut, mal ohne die Familie zu sein. Aber...»
    «Ich weiß», sagte Jocelyn. «Aber... Sprich doch mal mit ihr, mein Liebling.»
    Also sprach May mit ihr. Rose sah dankbar, ängstlich, ja fast abweisend aus. «Ich bin ganz sicher, daß ihr viel lieber allein wärt», sagte sie.
    «Wenn wir dich nicht mitnehmen wollten, hätten wir dich doch nicht gefragt», sagte May.
    Rose sah aus, als

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