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Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Titel: Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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gehen.»
    «Also, Gaylord, denk daran, was ich dir gesagt habe», sagte Mummi.
    Sie hätte sich diese Bemerkung sparen können, denn Gaylord dachte an alles. Als er seiner reizenden Tante und seinem ehrfurchtgebietenden Großvater durch die Kirche zum Altar folgte, war seine Haltung mustergültig. Und während der Trauungszeremonie war er feierlicher als der Pfarrer, gefaßter als der Bräutigam, korrekter als der Trauzeuge. Mummi beobachtete ihren so ungewohnt würdigen Sohn mit stolzer, liebevoller Zuneigung, und die Tränen traten ihr dabei in die Augen. Der heutige Tag hatte ihr eine neue Seite seines Charakters offenbart. Gaylord besaß einen Sinn für besondere Gelegenheiten. Nach der Zeremonie sagte sie zu Paps: «War er nicht märchenhaft, Liebling?»
    «Wer?»
    «Na, Gaylord natürlich. Ich hätte mir nie träumen lassen, daß ein so kleiner Junge...»
    «Noch haben wir’s nicht überstanden», sagte Paps. «Vielleicht lockert der Champagner seine Zunge.»
    Aber auf dem Empfang nippte Gaylord an seiner Limonade mit der Eleganz eines Sherry trinkenden Diplomaten. Und machte höflich Konversation, wenn man ihn ansprach. Später, allein in einer Ecke, verdrückte er heimlich ein paar Tranchen bei dem Gedanken daran, daß Onkel Peter zwar schon ganz schön alt war, sicher aber noch viele Jahre leben würde, ehe er starb und Gaylord seine wunderschöne Witwe heiraten konnte.
    Dann wurde der Champagner serviert. Gaylord kostete ein Schlückchen und verzog die Nase. Wäre er nur bei der Limonade geblieben. Auch die Hochzeitstorte entpuppte sich als eine Enttäuschung. In Gaylords Vorstellung bestand eine Torte aus dicken, festen Scheiben. Aber von diesen winzigen Häppchen hier hatte man ja nichts. Doch er beschwerte sich nicht. Er aß die Torte mit allen Anzeichen würdevollen Genusses. Auf Mummi wirkte die Kombination von mütterlichem Stolz, Champagner und der besonderen Euphorie, die eine Hochzeit mit sich bringt, ganz demoralisierend. Sie knutschte Gaylord richtiggehend ab. Und Gaylord, der beschlossen hatte, bis zum Ende brav mitzumachen, ließ sich abknutschen.
    Doch jetzt nahte das Ende. Becky war aus ihrem weißen Brautkleid in ein Reisekostüm geschlüpft, Peter trug wieder einen Straßenanzug. Der Wagen wartete. Alles marschierte hinaus in die sommerliche Sonne, um das Paar abfahren zu sehen.
    Ein glücklicher, erhebender Augenblick. Alle schwatzten lachend und scherzend durcheinander. Sogar Rose, die sich mit einer Freundin in Rock und Pullover unterhielt, sah angeregt aus. Während Mummi, ihre eine Hand auf Jocelyns eleganten Arm gestützt und die andere um Gaylords heiße, kleine Pfote gepreßt, das Gefühl hatte, noch nie in ihrem Leben so stolz und glücklich gewesen zu sein. Stolz nicht nur auf ihren zylinderbedeckten Mann und ihren Sohn im Kilt, sondern auch auf diese gesamte, entzückend verrückte Familie, in die sie hineingeheiratet hatte. Stolz auf Opa, der, obwohl stark wie ein Ochse, an diesem wichtigen Tag imponierend würdig und gebieterisch wirkte. Stolz auf Großtante Marigold, die zwar nicht genau wußte, wer nun eigentlich wen geheiratet hatte, die aber zu jedermann reizend sanft und höflich war. Stolz auf Becky mit ihrer gesunden, herzerfrischenden Schönheit, deren strahlende Lebendigkeit sich auf die weniger Glücklichen übertrug. Stolz sogar auf Rose, die so nett sein konnte, wenn man sich erst einmal durch den Dschungel von Hemmungen, hinter dem sie sich versteckte, geschlagen hatte.
    Das Durcheinander war ungeheuer. Allmählich beruhigte es sich. Becky, die lachend neben dem Wagen stand, bat mit einer Handbewegung um Ruhe. Schließlich wurde es still. Alle betrachteten mit Vergnügen diese roten, lachenden Lippen, die weißen, ebenmäßigen Zähne, alle warteten, was sie jetzt sagen würde.
    Ausgerechnet in diesem Augenblick mußte sich Gaylord fatalerweise an etwas erinnern. «Mummi», sagte er laut und vernehmlich und ganz ernst. «Warum hat Tante Becky gesagt, das sei eine Hochzeit mit vorgehaltener Pistole?»
    Es war immer noch still. Aber es war eine andere Stille, nicht länger freundlich-neugierig, sondern sehr gespannt.
    Sie wurde durch Mummis ruhige Antwort gebrochen: «Sie hat nur gescherzt, Liebling.»
    «Nein, bestimmt nicht, Mummi.» Gaylord klang sehr überzeugt. «Sie hat zu Opa gesagt: Und er hat gesagt