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Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Titel: Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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Tüte.
    «Danke schön, Mummi.» Er ging auf die Tür zu. «Wo gehst du hin?» fragte Paps.
    «Ich will Tante Rosie und Mr. Grebbie welche anbieten.»
    «O nein, das wirst du nicht», sagte Mummi. «Wenn es wirklich Mr. Grebbie ist, dann wollen sie allein bleiben.»
    Da irrt sich Mummi, dachte Gaylord. Tante Rosie und Mr. Grebbie schienen nicht so recht zu wissen, was sie mit sich anfangen sollten. Er mußte ihnen unbedingt die Sehenswürdigkeiten des Ortes zeigen - Höhlen und so. «Aber sie warten doch auf mich», sagte er beleidigt.
    «Hiergeblieben, Gaylord, setz dich», sagte Mummi.
    Er nahm bockig auf einer Stuhlkante Platz. Mummi sagte: «Hier in den Ferien wollen Paps und ich zwar, daß du soviel Freiheit wie möglich hast, weil du zu Hause ja nicht so herumstreunen kannst.»
    Für kurze Zeit hatte Gaylord Willies Brüder fast vergessen. Jetzt fielen sie ihm wieder ein, und die alten Ängste wurden aufs neue in ihm wach.
    «Aber deshalb wollen wir noch lange nicht, daß du allein im Dunkeln herumläufst», fuhr Mummi fort. «Und du darfst dich auch nicht so an Tante Rosie und Mr. Grebbie hängen. Sie haben sich eine Menge zu erzählen.»
    «Haben sie gar nicht», sagte Gaylord. «Sie haben kaum ein Wort miteinander gesprochen.»
    Aber hätte er sie jetzt sehen können, wäre er überrascht gewesen, wie wenig sie ihn vermißten. Lachend, Hand in Hand, liefen sie über den nassen, welligen Sand des Strandes und verschwanden hinter den Dünen, wie Kinder, die Versteck spielen; ein Mann und eine Frau, beide nicht mehr ganz jung, rührend, fast ein wenig lächerlich; beide einsam, beide menschenscheu. Zwei Menschen, die plötzlich aneinander soviel Geborgenheit und Trost fanden, wie sie es nie erhofft hatten. Sogar vor einem kleinen Jungen waren sie davongelaufen. Am liebsten hätten sie sich vor aller Welt versteckt. Ein jeder von ihnen fand in des anderen Schwäche und Schüchternheit Schutz und Trost.
    Lange blieben sie in den schützenden Dünen, während der Mond wie eine chinesische Laterne über dem Waliser Land hing. Und als sie sich endlich wieder den matt erleuchteten Häusern näherten, wußten beide, daß sie vor der Welt eine Zuflucht gefunden hatten.
    Rose kam ganz benommen vor Glück nach Hause. Sie betrat das Häuschen und stand blinzelnd im Lampenlicht. Jocelyn saß allein in der Kaminecke und schmauchte sein letztes Pfeifchen. Bedeutsam lächelte er ihr zu: «Na, das scheint ja tatsächlich Mr. Grebbie gewesen zu sein.»
    «Ja», sagte sie, «ist es nicht phantastisch?»
    Noch immer lächelnd, sah er sie an. Aber fast noch phantastischer, dachte er, ist die Wirkung auf Rose. Sie schien sich völlig verwandelt zu haben. Zum erstenmal entdeckte er bei ihr eine gewisse Ähnlichkeit mit Becky. Und das alles nur, weil ein farbloser, nicht mehr ganz junger Lehrer plötzlich am einsamen Strand aufgetaucht war. Jocelyn war ein gutmütiger, aber auch sehr ehrlicher Mensch. «Netter Kerl, dieser Grebbie», sagte er. Seine Ehrlichkeit verbot ihm, mehr zu sagen, seine Gutmütigkeit verbot ihm, weniger zu sagen.
    Roses Gesicht strahlte auf. «O wie schön, daß du ihn magst, Jocelyn. Er ist... ich finde ihn wirklich besonders nett. Du nicht auch?»
    «Um ganz offen zu sein, mir ist er sehr viel lieber als der andere Knabe», sagte Jocelyn. «Wie lange bleibt er denn?»
    Roses Gesicht wurde traurig. «Bis morgen nachmittag.»
    Verflixt, dachte Jocelyn. Arme alte Rose. Sie hatte wirklich mal etwas Aufheiterung nötig. «Das tut mir aber leid», sagte er.
    «Mir auch.» Sie lächelte ihn kläglich an.
    Er seufzte. «Dann müßt ihr morgen das Beste daraus machen.»
    «Werden wir auch», sagte sie.
     

20
     
    Es war einer jener frischen munteren Morgen, wie es sie nur an der See gibt. Eine übermütige Brise wehte. Die Weiden bebten, und die Unterseiten ihrer Blätter glänzten silbrig auf. Am Himmel hingen Wolken in allen Größen. Dicke Wölkchen tummelten sich über den Hängen, Wolkenschleppen hingen von den Hügeln herab, und in den oberen Regionen des Himmels strichen ein paar Federwölkchen dahin.
    Rose wanderte mit ihrem Liebsten munter über das flache Marschland. Sie hatten bis heute nachmittag um fünf Uhr Zeit. Und alles um sie herum nahm im Licht dieser hellen, kühlen Morgenstunden eine fast beängstigende Klarheit an, so, als sähen sie dies alles zum erstenmal; sie sahen das Wogen des kühlen grünen Meeres, die reine, schlichte Schönheit einer weißen Möwe am blauen Himmel. Sie sahen den

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