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Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Titel: Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Wolf
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Kraft steckt im Heilprozess dieses Planeten. Ich kann weder sofort erscheinen, wenn man nach mir ruft, noch die Aufgaben meines Sohnes übernehmen.« Sie deutet zum Fenster. »Das Eis schmilzt und hüllt alles dabei in eisigen Nebel. Nicht mehr lange und das, was es verdecken sollte, kommt frei.« Die Göttin wirft einen Blick auf den schlafenden Nevis und ihre Augen werden wässrig. »Ich kann ihm nicht helfen.«
    Erst jetzt wird mir bewusst, was ich der Göttin genommen habe. Zum ersten Mal sehe ich in ihr nicht nur eine Gottheit, sondern auch die Mutter von vier Söhnen, deren Jüngster ihr schon die ganze Zeit besonders am Herzen zu liegen schien. In ihren Augen lese ich Schmerz und Vermissen. Sie geht zu ihm herüber und setzt sich an seine freie Seite. Liebevoll streicht sie ihm eine verschwitzte Strähne aus dem Gesicht.
    »Maya, bitte glaube mir.« Sie sieht mich an. »Ich kann weder schnell einen neuen Winter erschaffen noch die Welt alleine heilen.«
    Ich schlucke und auch meine Augen füllen sich mit Tränen.
    »Ich liebe ihn.« Damit küsst sie sanft Nevis‘ Stirn. »Und ich liebe dich, Maya. Ich verstehe eure Situation und doch sind mir die Hände gebunden. Es gibt Regeln im Kosmos, an die auch ich mich halten muss.«
    »Ich will nicht ohne ihn sein. Lass mich zu ihm und wir kehren zu dir zurück. Jesien will das auch.«
    Die Göttin sieht mich entschuldigend an. »Nein, Maya. Du und Nevis wollt es aus ganzem Herzen und der größte Teil von Jesien auch, das stimmt. Aber es gibt da diesen kleinen Riss in dem Teil seines Herzens, der dir gehört. Dieser Riss will dich behalten, weil er dich sehr gerne hat. Aus diesem Grund kann ich dem nicht zustimmen.«
    »Was?«, kann ich nur leise stammeln.
    »Du darfst Jesien nicht böse sein. Sein Verstand sagt ihm ganz klar, dass du zu Nevis gehörst und auch sein Herz. Aber eben dort ist auch dieser kleine Teil, der dich furchtbar gern hat und behalten möchte. Er kann nichts dafür, Maya. Bitte halte ihm das nicht vor.«
    Ich schüttelte meinen Kopf, während ich leise schluchze.
    »Du hast Jesien hundert Jahre versprochen, Maya«, erinnert mich die Göttin und ich muss erneut schlucken. »Wenn ihr hier bleibt, sterbt ihr beide und der Planeten mit euch. Sieh zum Fenster hinaus, Maya.«
    Mein Herz rumpelt ungestüm gegen meinen Brustkorb als ich zum Fenster gehe. Ich will das alles nicht wahrhaben, aber es schlägt mir beim Blick nach draußen dennoch entgegen.
    »Mir war klar, dass ihr beide das mit eigenen Augen sehen müsst.«
    Ich höre leise Schritte und unverhofft steht Nevis neben mir und sieht zum Fenster hinaus. Als ich zur Göttin sehen will, ist diese jedoch verschwunden. Nevis zittert und hustet, doch sein Blick geht stur nach draußen. Er weiß sofort, was dieser Nebel zu bedeuten hat und sein Gesicht wird ernst.
    »Wieso hast du mir nichts davon erzählt?«, fragt er.
    »Ich habe gedacht, du hättest ihn selbst gesehen.«
    Er schüttelt langsam den Kopf.
    »Wieso unternimmt Mutter nichts?«, grübelt er und ich lehne mich in seine Arme, die er sofort um mich schließt.
    »Weil sie es nicht kann.« Ich überlege. »Oder denkst du sie blufft?«
    »Nein«, seufzt Nevis und klingt dabei, als hätte man ihm ein Schwert durch die Brust gestoßen. »Das da draußen wäre nichts, was Mutter freien Willens zulassen würde. Niemals würde sie dem Planeten absichtlich schaden.« Er verkrampft und als ich zu ihm hochsehe weint er. »Es kann nicht sein«, wispert er. »Es muss einen anderen Weg geben.«
    »Nevis …«, beginne ich, doch er unterbricht mich, indem er mich so fest an sich drückt, dass mir fast die Luft wegbleibt.
    »Ich kann nicht … nein, ich will nicht …« Ein Husten hindert ihn am Weiterreden. Ich manövriere ihn sanft zurück zum Bett und setze mich mit ihm. Flüssige Eisaugen sehen mich voller Schmerz an und auch mir laufen wieder Tränen die Wange hinunter.
    »Das alles darf nicht umsonst gewesen sein«, bringe ich nur schwer hervor.
    »Ich verliere alles«, flüstert Nevis und seine Augen weiten sich in Panik. Er steht auf und beginnt im Zimmer umher zu laufen. »Iria, dich, … mein Leben.«
    »Sprich nicht so«, flehe ich unter Tränen.
    »Mein Körper mag nicht für die Erde gemacht sein, Maya.« Er schweigt einen unerträglichen Moment. »Aber meine Seele ist es auch nicht für die Ewigkeit.«
    »Sag so etwas nicht«, schluchze ich. »Nevis, tu mir das nicht an!« Meine Stimme ist lauter geworden, als ich es beabsichtigt hatte.

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