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Morland 02 - Die Blume des Bösen

Titel: Morland 02 - Die Blume des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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mehrere Glaskolben in einer merkwürdigen Vorrichtung. Tess betrachtete die Konstruktion verwundert. Das Ganze sah wie ein improvisiertes chemisches Labor aus. In einer geöffneten Kiste entdeckte sie gut zwei Dutzend dunkelbraune Kugeln von einer teigartigen Substanz und der Größe einer Kirsche. Tess betrachtete sie ratlos, hob eine auf und schnupperte daran. Sie roch seltsam süßlich.
    Ein Stöhnen, das aus dem Nachbarraum kam, ließ sie zusammenfahren.
    »Helga Varnrode?«, fragte sie ein drittes Mal, doch als sie die Gestalt in dem schmutzigen Bett liegen sah, wusste Tess, dass sie keine Antwort erwarten konnte.
    Die Frau war zu einem Skelett abgemagert. Die irre flackernden Augen lagen tief in schwarzen Höhlen, das Haar war schmutzig und verfilzt. Neben einer brennenden Kerze lagen auf dem Nachtschrank eine lange Pfeife und mehrere der Kugeln, wie Tess sie nebenan in der Kiste gesehen hatte, nur dass diese hier etwas kleiner waren. Sie waren auf dicken Nadeln aufgespießt, sodass sie wie unheilvolle Lutscher aussahen, die man sich allerdings garantiert nicht in den Mund steckte. Tess wusste plötzlich, was das war. Opium.
    »Warum zum Teufel weckst du mich?«, krächzte die Frau.
    »Mein Name ist Tess Gulbrandsdottir. Ich habe Ihre Adresse von Nora.«
    Für einen kurzen Moment kehrte Leben in diese toten Augen zurück. »Nora, ja?« Sie spuckte einen dunklen Klumpen aus, der mit einem hässlichen Klatschen in einem Messingnapf landete. Tess war kurz davor, sich zu übergeben. Die Frau nahm eine dieser Kugeln und hielt sie in die brennende Kerze. Hastig stopfte sie den nun pechzähen Tropfen in die Pfeife und zog mit einer Drehbewegung die Nadel heraus, sodass ein kleines Loch entstand. Dann führte sie die Pfeife an die Flamme und sog kräftig den Rauch ein, den sie, so lange sie konnte, in der Lunge behielt. Dann atmete sie hustend aus.
    »Wenn du ein Gist bist, wie kommt es, dass ich dich noch nie gesehen habe?«, fragte die Frau mit träger Stimme.
    »Ich habe erst gestern den Zugang zum Hotel gefunden.«
    Helga Varnrode nahm noch einmal einen tiefen Zug. »Es ist ein wunderbarer Ort«, presste sie hervor und atmete dann aus, wobei sie Tess den Rauch genau ins Gesicht blies. »Es ist meine Heimat. Ich würde sogar dafür sterben, sie niemals verlassen zu müssen.«
    »Nur dass der Tod keine Lösung wäre, nicht wahr?«, sagte Tess, der leicht schwindlig wurde.
    »Wer weiß«, sagte die Frau und lächelte abwesend. Das Opium schien langsam zu wirken. »Wer weiß. Vielleicht ist der Ort, an den wir dann gehen, ja noch schöner.«
    »Wenn Sie so weitermachen, werden Sie es bald he rausfinden«, sagte Tess kühl.
    Helga Varnrodes Gesicht verzog sich zu einer Fratze. »Wer bist du, dass du mich so herablassend behandelst? Was weißt du schon von einem Leben als Gist?«
    »Eine ganze Menge«, erwiderte Tess. »Zum Beispiel, dass ich nicht so enden möchte wie Sie oder Julius Schöpping.«
    »Dann bist du noch nicht oft in unserem Nexus gewesen. Es ist ein Paradies, der einzig lebenswerte Ort, den es gibt.«
    »Dieser Nexus wird alle Gist auf die Dauer zugrunde richten, wenn Sie nicht erkennen, was er in Wirklichkeit ist!«, fuhr Tess sie an. »Nämlich eine Illusion.«
    Die Frau nahm noch einen Zug. Ihre Augenlider zitterten. Tess schlug ihr die Pfeife aus der Hand.
    »Du miese kleine Kröte«, schrie die verrunzelte Alte mit schriller Stimme.
    »Ich möchte wissen, wer meine Eltern waren«, sagte Tess.
    »Dann wünsche ich dir viel Glück.« Sie bückte sich über die Bettkante und versuchte mit ihren dürren Fingern dieOpiumpfeife zu erwischen, die Tess nun mit ihrem Fuß weiter fortschob.
    »Bitte, gib sie mir zurück!«, wimmerte die Frau.
    Doch Tess dachte nicht daran. »Was wissen Sie über meine Eltern.«
    »Wie alt bist du?«
    »Dreizehn.«
    Die Frau dachte fieberhaft nach. »Vor dreizehn Jahren wurde nur ein Mädchen geboren. Ihr Name war Theresa Ziolkovski.«
    »Tess ist die Kurzform von Theresa!«
    »Dann weiß ich, wer deine Eltern waren«, sagte die Frau und entblößte eine schwarze Zahnruine. »Karel und Mona Ziolkovski. Sie sind tot.«
    Die Gleichgültigkeit, mit der die Frau das sagte, ließ die kalte Wut in Tess aufsteigen. Am liebsten hätte sie die Alte gepackt und geschlagen. Aber sie bezähmte sich, auch wenn es all ihre Kräfte erforderte. »Was wissen Sie noch?«, presste sie hervor.
    »Was willst du denn wissen?«, fragte die Frau herausfordernd.
    »Wie viele Kinder sind in den letzten

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