Morland 02 - Die Blume des Bösen
das Aktenstudium nicht verkneifen. Wenn es einen Mann gab, der absolut pflichtversessen war, dann ihn. Strashok hatte frühzeitig ergrautes Haar, was wohl der nervenaufreibenden Arbeit geschuldet war, denn er war nicht nur Mitglied der Regierung, sondern auch Leiter der geheimen Station 11, die sich ganz der Erforschung der verloren gegangenen Technologien aus der alten Zeit widmete.
General Maximilian Nerta zu Strashoks Rechten war der Erste gewesen, den Begarell mit der Blume infiziert hatte. Dass sich der Präsident den gewissenlosen Verteidigungsminister als engsten Mitstreiter auserwählt hatte, lag auf der Hand. Mit Nerta an seiner Seite konnte Begarell sicher sein, dass ihm die Armee nicht eines Tages in den Rücken fiel.
Die anderen vier Mitglieder waren erst relativ spät zum Kollektiv gestoßen und spielten wegen ihres ungeplanten Beitritts eine eher untergeordnete Rolle. Unter ihnen befand sich auch die einzige Frau in der ansonsten von Männern beherrschten Runde. Linda Östersund, war Immunbiologin und hatte in Station 11 das erste wissenschaftliche Team geleitet, das die Wirkungsweise der Sporen untersuchen sollte, mit denen die Blume normale Menschen entweder tötete oder in einen Eskatay verwandelte. Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen war es zu einem Unfall gekommen, den neben Linda Östersund nur drei Männer überlebt hatten: der Physiker Johann Evertsberg, mit knapp dreißig Jahren ein Mann in Mersbecks Alter, sowie Mogens Stortjärnen und Simon Älvdalen, beides wissenschaftliche Assistenten, die Mersbeck auf Mitte zwanzig schätzte. Sie waren die einzigen Überlebenden dieses Desasters, das Mersbeck nur schwer hatte vertuschen können. Nachdem die vier wieder zu Kräften gekommen waren, hatte man sie von Station 11 abgezogen und auf die einzelnen Ministerien verteilt, die noch nicht vom Kollektiv infiltriert waren. Östersund und Evertsberg hatten sich leidlich in ihre neue Rolle gefügt, doch die beiden jungen Burschen litten noch immer an dem, was Mersbeck als Eskatonsyndrom bezeichnete. Man musste nicht über dasKollektiv mit ihnen kommunizieren, um ihre Schwierigkeiten zu erahnen, sich in diesem neuen Leben zurechtzufinden. Stortjärnen und Älvdalen waren für Mersbeck der lebende Beweis, dass sich nicht jeder für einen Aufstieg in das Kollektiv eignete. Nur gefestigte Persönlichkeiten wurden mit den Folgen einer erfolgreichen Infektion fertig. Stortjärnen und Älvdalen hatten bis heute nicht ihr neues Talent ergründet, worauf gerade Begarell sehr gereizt reagierte. Jedenfalls ließ er keine Gelegenheit aus, die Angst der beiden als kindliche Schwäche zu diffamieren.
»Danke, Kramfors«, sagte der Präsident jetzt und schenkte sich aus einer Karaffe etwas Wasser in ein Glas ein. »Sie können gehen.«
Die Tür wurde von außen geschlossen und Mersbeck schaute in die Runde des Kollektivs. Er beschloss, seinen Auftritt ein klein wenig zu zelebrieren, und hängte erst einmal sein Jackett über die Lehne des Stuhls, der vor ihm stand und das andere Kopfende des Tisches bildete. Dann nahm er langsam Platz. Und lächelte.
»Oh, bitte!«, rief Magnusson und rollte mit den Augen. »Verschonen Sie uns mit Ihrer theatralischen Art.«
»Nein, lassen Sie ihn«, sagte Begarell beschwichtigend und lächelte milde. »Ich denke, er hat es verdient, seinen Erfolg auszukosten.«
»Danke, Herr Präsident«, sagte Mersbeck und strich mit der Hand über die große Kiste, die neben ihm auf dem Boden stand. »Wie Sie ja alle wissen, hat unsere Gruppe in den letzten Jahren an einem gewissen Nachwuchsmangel gelitten. Ein Grund dafür war die enttäuschende Reproduktionsratejener anorganischen Lebensform, die wir Eskaton
nennen und deren Ursprung noch immer im Dunkel liegt.«
Mersbeck stand auf und hob die schwere Kiste auf den Tisch. Ohne aufzublicken, klappte er den Deckel hoch und legte eine Blume auf die Tischplatte.
»Im Umgang mit den Blumen haben wir einen entscheidenden Fehler gemacht: Wir haben Sie isoliert. Als ich von der Ausgrabungsstätte in der Nähe von Station 9 zurückkehrte, hatte ich ein Artefakt im Gepäck, das einmal eine Waffe gewesen sein muss. Diese Waffe wies zwei besondere Eigenschaften auf. Erstens: Sie bestand aus einer Legierung recht ungewöhn licher Metalle, wie sie nicht sehr oft in unseren Breiten vorkommen. Darunter sind einige, für die wir noch nicht einmal einen Namen haben. Zum anderen wies dieses Artefakt eine tödliche Strahlung auf, die sich wie ein unsichtbares
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