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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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dicker Schmalzstullen, bedeckt mit Zwiebelringen, bestreut mit Paprika. Ein verlockendes Stück Speck auf dem Brett mit dem scharfen Messer, zwei Scheiben schon appetitlich abgeschnitten, dünner Speck, und aus dem gelblich-weißen Fett schimmert gerade einmal eine hauchzarte rosa Schicht heraus, was für wunderbarer Speck!
    Die graubraune Pastete duftet nach Leber und Petersilie, dazu Weißbrotscheiben und zwei Gläschen Wein.
    «Hier schenkt man in Dezilitern aus. Wir haben jeder nicht mal ein Achtel, aber dabei werden wir es nicht belassen, nicht wahr, Konstanty?»
    Ganz gewiss nicht, aber der Wein kommt später; erst essen, und wie hungrig ich bin! Ich zerdrücke die Pastete auf dem Brot, beiße ab und wie gut das ist, Lebergeschmack, mit etwas Gutem begossen, ein Hauch von Alkohol, Nusslikör, das ist nussig, und ich esse und trinke, die Scheibe Speck und das Brot mit Schmalz.
    Dzidzia hält mein Tempo, ohne sich im Geringsten um den Rat des Dichters Byron zu kümmern, dass die Frau überhaupt nicht essen solle, höchstens Krabben und ein Glas Sekt; nein, Dzidzia haut rein für zwei, und als der angebissene halbe Zwiebelring zwischen ihren Lippen, der nicht mehr ganz in ihren Mund passt, noch oben klappt und die Nase mit rotem Pulver einstaubt, niest sie in das blitzartig gezogene Taschentuch, lacht, isst weiter, wischt sich Pastete aus dem Mundwinkel, und wir bestellen die nächsten Gläser Roten und schnuppern nicht groß, achten nicht auf das Bukett, jetzt wird einfach ein Dezi nach dem anderen getrunken und dazu geschmaust; dann rauchen wir, immer wieder nippend, satt gegessen, voll, gesprächsunlustig, glücklich, bestellen die nächsten Gläser, trinken und knabbern noch ein bisschen, ganze Scheiben kriegt man nicht mehr runter, also Häppchen mit Pastete beschmiert und weiter, die nächsten Dezi, Gesundheit – «Egészségedre», bringt mir Dzidzia bei, der Kellner hört es und lacht, korrigiert die Aussprache, und schon lernen wir gemeinsam, auf Ungarisch zu prosten.
    Dann torkelt betrunkenes Warschau in die ungarische Weinstube. Zwei Offiziere, ich kann es nicht fassen. Schon recht blau. Sie setzen sich. Bestellen. Haben Geld, trinken nicht zu knapp. Uniformen. Und wir sind erschüttert, verwundert, wie das?
    Der Kellner erhascht unsere Blicke, überlegt einen Moment, mit wem er es wohl zu tun hat.
    «Wir sind aus Wien», erklärt Dzidzia, mit passendem Akzent. «Wir hassen den Hitler. Wo kommen denn diese armen Polen her?»
    Der Kellner nickt, akzeptiert diese Hitler hassenden Wiener, warum nicht.
    «Polen sind es hier überall sehr viele. Angeblich gibt es in Budapest ein paar tausend polnische Offiziere, vielleicht sogar mehr als zehntausend, sagen manche. Man sieht sie hier überall», erklärt er und entfernt sich dann, kommt kurz darauf wieder und stellt uns zwei Gläschen Pflaumenschnaps hin, geht aufs Haus. Gleichsam als Dank dafür, dass wir Hitler nicht mögen. Beim Tischabräumen brummelt er, mit hochgezogenen Brauen und der Nase auf die Offizier weisend:
    «Und so geht das seit drei Wochen. Das Vaterland haben sie verloren, aber amüsieren und erholen tun sie sich trotzdem.»
    Die polnischen Offiziere bekommen keinen Pflaumenbrand aufs Haus. Ach, wie gut kenne ich deinen Ekel, verfluchter Kellner, ich kenne das. Ich weiß nicht, was du als Ungar zu deinen Nationalheiligtümern rechnest, aber ich kenne solche wie dich, kannte sie, kannte sicher zu viele von eurer Sorte. Und sogleich gefallen mir die Offiziere besser, als sie es verdienen. Sie sitzen in einer Ecke, auf seltsame Art wirken sie in diesem Weinkeller unfreier als wir, sie bestellen Pflaumenschnaps, bestellen Gulasch, bekommen nicht, was sie erwarten, denn erwartet haben sie bestimmt diesen bräunlich grauen Brei mit knorpeligen Fleischbrocken, den die miserablen Kaschemmen bei uns der anspruchslosesten Kundschaft vorsetzen. Stattdessen kommt eine klare, scharfe Suppe mit schönen Rindfleischstücken; ich weiß das, denn der gelbschnauzige Plebejer neben uns isst die gleiche, sich Mund und Schnurrbart mit dem haarigen Handrücken abwischend.
    Wir essen und trinken fast schweigend, und wenn wir mit gedämpfter Stimme ein paar Worte wechseln, tun wir das auf Deutsch, wir wollen nicht als Polen erkannt werden.
    Der polnische Hauptmann und der Major sind rasch völlig betrunken, der Hauptmann setzt sich jetzt auf die andere Tischseite neben seinen Kameraden, an die Wand, und sie trinken weiter, in zärtlicher Umarmung.
    Ich könnte

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