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Morphin

Morphin

Titel: Morphin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Szczepan Twardoch
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wirst du erklären, warum, wirst entschieden antworten, und sie werden die Antwort akzeptieren, akzeptieren müssen.
    Ich laufe mit der Tasche in der Hand raus und stolpere über Kajetan Tumanowiczs Leiche, falle hin, blicke in sein zerkratertes Gesicht.
    Mein Gott, Mensch, was hast du da getan? Frage ich mich selbst. Plötzlich verstehe ich. Was habe ich getan? Eben gerade noch sitze ich breitbeinig auf dem verwundeten Menschen, der vor nichts Angst hatte, und weiß, ich muss dorthin greifen, wo er es nicht erwartet, muss etwas tun, wovor er Angst haben wird, ihm beweisen, dass ich es kann. Und ich habe es bewiesen, mein Taschenmesser ist blutig.
    Ich erbreche mich. Breche in Tränen aus.
    Weine nicht, Kostek, weine nicht mehr, mein Lieber, mein geliebter, mein einziger. Ekle dich nicht vor dem Menschen in dir, Kostek.
    Habe ich wirklich getan, was ich getan habe? Wer hat meine Hand geführt, die kleine Klinge berührt den roten Winkel der Bindehaut, woher hatte ich so viel Kraft, Tumanowicz hat sich ja lebhaft gewehrt, ich drücke mit der linken Hand seinen Kopf nach unten, er zuckt nicht mal, und die Klinge kreist, woher habe ich so viel Kraft, dass er unter mir nicht einmal zuckt?
    Ich kotze weiter, der leere Magen verkrampft sich, das Erbrochene mischt sich mit dem Blut von Tumanowicz.
    Steh auf, Kostek. Steh auf und geh.
    Ich verlasse die Wohnung, steige die Treppe hinab. Mancher Türspalt wird furchtsam geschlossen, doch mein Gesicht, verborgen unter dem Hutrand, kann niemand sehen. Die Welt rotiert.
    Unten der Hauswart.
    «So endet es, wenn sich jemand mit uns anlegt, blöde Pollacken», werfe ich ihm mit meiner deutschen Stimme hin.
    Phantastisch, Kostek, phantastisch hast du das erledigt. Du hast dich um Polen doppelt verdient gemacht: die Leiche mit ausgekratztem Auge und Schussloch im Kopf belastet die Deutschen, sie werden schuld sein an diesem schmerzhaften Tod.

Kapitel fünf
    I ch trete hinaus auf die Lesznostraße, die Aktentasche fest in der Hand und darin das Paket, jetzt nur noch zum Erlöserplatz, und alles, alles wird gut.
    Doch ich sehe mehr, Kostek. Ich sehe die Leinen an der stählernen Balkonbrüstung in demselben Mietshaus, dicke Schnüre, gespannt wie die Saiten eines Kontrabasses, gespannt unter dem Gewicht der Körper, ich sehe die Straße zur Hälfte geteilt, sehe euch auf der ungeraden Seite und sehe die gerade Seite. Aber das noch nicht heute. Ihr Sterben mischt sich mit dem Sterben deines Opfers.
    Ich stehe auf der Straße. Er steht auf der Straße. Sieht nichts. Ich sehe.
    Auf der Lesznostraße. Ich. Es regnet.
    Er nimmt den Hut ab, das Wasser, das sich in der Krempe gesammelt hat, fließt in einem Rinnsal auf den nassen Pflasterstein. Er spürt, wie er nass wird, mein Lieber.
    Ich werde nass. Würde mich gern im Schokoladenhaus in mein Bett legen, hätte gern, dass die einzige Frau, die ich geliebt habe und liebe, am Kopfende dieses Bettes sitzt und mir das Haar streichelt und mit leiser, tiefer Stimme zu mir sagt, alles wird gut, hätte gern, dass meine Mutter verschwindet – und meine Salomé, das Morphin, der Krieg, Polen und das ausgekratzte Auge und das Paket mit den Reisepässen in dieser Aktentasche.
    Er würde vermutlich auch gern selbst verschwinden, aber das macht er sich einfach nicht klar. Oder er hat Angst.
    Jetzt weint er. Ich weine. Ich habe angefangen zu weinen. Wann?
    Der Oktober gießt vom Himmel, die Polizeistunde liegt in der Luft, die kleine Pistole in der Tasche wiegt schwer, lastend wie eine Todesstrafe durch Erschießen. Wasser fließt über das Pflaster und die Straße entlang, die ich nicht erkenne. Die Stadt ist erloschen. Ich stolpere, drohe hinzufallen.
    Wirf die Pistole weg, Kostek, jetzt brauchst du sie nicht, wirf sie in den Rinnstein, irgendwohin, trag sie nicht bei dir, du trägst dein Todesurteil in der Tasche, Kostek.
    Ich werfe sie nicht weg.
    Diese Damenpistole schützt dich vor niemandem, du hast nicht einmal das Magazin aufgefüllt, du wirst doch nicht mit Kaliber sechs auf die Deutschen schießen, du hast schon auf genug Deutsche geschossen, wirf sie weg, Kostek, wirf sie weg.
    Nein, denn ich will nicht auf die Deutschen schießen, meinen Fluch, sondern auf mich selbst, wenn die Zeit dafür gekommen ist und die Notwendigkeit. Ich werfe sie nicht weg.
    Ich schwimme durch die Straße, ich gehe nicht, meine Füße berühren weder Pflasterstein noch Asphalt, ich schwimme. Die Żelazna: Chłodna, Krochmalna, Grzybowska. Ich schwimme. Die

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